Studie |
26.11.2015 16:40:00
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«Reiche wissen mehr übers Finanzwesen»
Frauen beantworten grundlegende Geldfragen deutlich schlechter als Männer, zeigt eine weltweite Studie. Warum ist das so? HSG-Finanzprofessor Martin Brown gibt Antworten auf die drängendsten Fragen.
Interview von Mathias Ohanian
Über 150'000 Menschen hat die Weltbank rund um den Globus zu grundlegenden Geldthemen befragt. Etwa zum Konzept der Risikodiversifizierung oder dem Zinseszinseffekt. Das Ergebnis ist ernüchternd, besonders für die Schweiz: Nur 57 Prozent der Befragten konnten drei der fünf gestellten Fragen richtig beantworten (Test bei handelszeitung.ch).
Gleichzeitig offenbart die Studie grosse Wissensunterschiede zwischen den Geschlechtern. «In praktisch jedem Land rund um den Globus gibt es eine Lücke in der Finanzbildung zwischen Männern und Frauen», schreiben die Autoren. Wir sprachen mit Finanzprofessor Martin Brown von der Uni St. Gallen über die Studienergebnisse und die Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
Sind die Schweizer in Finanzfragen tatsächlich ungebildeter als Menschen in anderen entwickelten Ländern?
Ich kann Entwarnung geben. Die Schweiz kommt in der aktuellen Studie von der Weltbank etwas schlechter weg als in anderen Untersuchungen. Alles in allem steht das Finanzwissen in der Schweiz auf Augenhöhe zu Ländern wie Deutschland, der Niederlande oder den USA.
Sollte das Wissen hierzulande angesichts der hohen Konzentration an Vermögen nicht grösser sein?
Nicht notwendigerweise. Was man bei der Studie der Weltbank wie bei anderen Studien tatsächlich sieht, ist: Innerhalb jedes Landes steigt das Finanzwissen von Menschen, wenn sie gebildeter sind, mehr verdienen oder ein höheres Vermögen haben. Reichere schneiden bei solchen Tests besser ab - das ist auch in der Schweiz so.
Sowohl die Weltbank als auch Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Frauen in Finanzfragen in der Regel weniger Bescheid wissen als Männer. Welche Erklärungen gibt es dafür?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Dazu gibt es verschiedene Thesen. Eine besagt, dass Frauen im Haushalt weniger mit Finanzentscheidungen zu tun haben und deshalb weniger wissen. Unsere Ergebnisse zur Schweiz wiederlegen diese Ansicht aber: In Einpersonenhaushalten müssen Frauen und Männer gleichermassen ihre Finanzentscheidungen selber treffen - und wir haben nachgewiesen, dass auch da Frauen deutlich weniger von Finanzen verstehen als Männer.
Die tradierte Rollenverteilung im Alltag taugt also nicht als Erklärung.
Nein. Mitentscheidend ist das Interesse. Interessieren sich Schweizer Frauen für Finanzthemen ebenso wie Männer, ist auch das Wissen ähnlich hoch. Das zeigt sich bei jungen Menschen ebenfalls: Bei Kindern bis zwölf Jahren gibt es kaum Unterschiede im Finanzwissen zwischen Mädchen und Jungen. Bilden sich die persönlichen Interessengebiete in der Jugend heraus, wachsen jedoch die Wissensunterschiede.
Sorgen Frauen denn auch weniger fürs Alter vor, womöglich zu wenig?
Unsere Ergebnisse für die Schweiz zeigen keine wesentliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen im Vorsorgeverhalten - zum Beispiel ob man ein Säule-3A-Konto hat oder nicht. Es ist zwar so, dass Altersvorsorge mit besserem Finanzwissen einhergeht. Das bedeutet aber nicht, das Finanzwissen der wichtigste Bestimmungsfaktor für die Altersvorsorge ist. Verschieden Studien zeigen, dass die Fähigkeit langfristig zu planen und auf unmittelbare Konsumreize zu verzichten für langfristige Finanzentscheidungen wohl bedeutender sind als das reines Finanzwissen.
Was zeigen die Studien noch?
Dass Selbstvertrauen wichtig ist: Frauen tendieren in den Tests viel häufiger als Männer dazu, «ich weiss nicht» zu antworten, wenn sie unsicher sind. Im Gegenzug passt es, dass andere Studien zeigen, dass sich Männer in Finanzentscheidungen gerne mal zu viel zutrauen.
Gibt es Ausnahmen bei der Beobachtung der Geschlechter?
Deutschland ist ein sehr interessantes Phänomen. Studien zeigen, dass es in den alten Bundesländern des Westens Unterschiede im Finanzwissen zwischen Männern und Frauen gibt - in den neuen Ländern hingegen nicht. In Ostdeutschland war die Ausbildung für Männer und Frauen gleich, die Arbeitsplätze wurden gleich zugeteilt und damit vielleicht auch das Interesse gleicher und weniger stereotyp als im Westen gefördert.
Die sozialistische DDR hat Frauen also mehr Finanzwissen vermittelt als der kapitalistische Westen?
Wenn Sie so wollen. Es gibt zu Thailand eine interessante neue Studie vom Berliner DIW-Institut. Demnach gibt es in dem südostasiatischen Land ebenfalls keine Wissensunterschiede zwischen den Geschlechtern. Die Studienautorin führt das darauf zurück, dass in Familien mehrheitlich die Frauen die Finanzentscheidungen treffen. Eine These ist, dass Mädchen sich dort schon im jungen Alter für Finanzfragen interessieren, weil sie in diese Rolle reinwachsen.
Kommen Frauen in Entwicklungsländern deshalb leichter an Mikrokredite, weil sie das Geld für eine Geschäftsidee investieren und im Gegensatz zu Männern weniger in Alkohol, wie es gelegentlich heisst?
Damit wäre ich sehr vorsichtig. Es gibt diese Meinung, dass Männer da weniger verantwortungsvoll sind. Als Wissenschaftler sehe ich dafür aber keine harte Evidenz. Im Gegenteil: Viele Studien zeigen, dass sowohl Frauen als auch Männer in Entwicklungsländern sehr darum bemüht sind, Kredite zurückzuzahlen, wenn sie Zugang zu ihnen haben.
Dieses Interview erschien zuerst bei handelszeitung.ch. Dort finden Sie auch die fünf in der Studie gestellten Fragen. Testen Sie hier ihr Wissen zu grundlegenden Finanzkonzepten.
*Martin Brown ist Professor für Bankwirtschaft an der Universität St. Gallen und Direktionsmitglied des Schweizerischen Instituts für Banken und Finanzen und der School of Finance. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Finanzintermediation, Finanzentscheidungen von Privathaushalten und Organisationsökonomie.
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