Panik oder Gelassenheit? |
03.06.2022 21:16:00
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INTERROLL, V-Zug & Co: Schweizer Industrieaktien werden abgestraft - So sollten Anleger reagieren

Anleger trennen sich angesichts unsicherer wirtschaftlicher Gemengelage zunehmend von Schweizer Industrietiteln. Dabei sind deren Auftragsbücher gut gefüllt.
• Lieferkettenprobleme und Ukraine-Krieg-Folgen belasten
• Panik nicht nötig
Industrieaktien schlägt aktuell am Markt frostige Anlegerstimmung entgegen. Das trifft auch Schweizer Branchenvertreter, obwohl die jüngsten Zahlen - ebenso wie die aktuelle Auftragslage - mehrheitlich positiv bewertet werden.
Bossard-Aktie
Mehr als 17 Prozent hat der Tesla-Zulieferer Bossard an der Börse in den vergangenen drei Monaten verloren - seit Jahresstart summieren sich die Verluste sogar auf über 35 Prozent. Allerdings verbesserte sich die Anlegerstimmung nach Vorlage der jüngsten Quartalszahlen etwas. Denn das Unternehmen hat zuletzt durchaus überzeugende Wachstumszahlen präsentiert und die Prognosen der Analysten sogar übertroffen. Zwar hatte Bossard bei der Präsentation der Erstquartalsbilanz eine angespannte Situation auf den Beschaffungsmärken eingeräumt, dennoch sei die Nachfrage hoch - trotz anhaltenden Lieferengpässen und Belastungen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine.
INTERROLL-Aktie
Auch der Anteilsschein von INTERROLL kam 2022 bislang stark unter die Räder. Seit Jahresbeginn verlor die INTERROLL-Aktie rund ein Drittel an Wert - allein in den letzten drei Monaten ging es um knapp 17 Prozent abwärts.
Auch hier rechtfertigt die Geschäftsentwicklung die schwache Aktienkursentwicklung offenbar nicht: "Wir sind aus dem letzten Jahr sehr gut ins Jahr 2022 eingestiegen und wir werden weiter beobachten, wie sich das Jahr aufgrund der Rahmenbedingungen weiter entwickeln wird", so Konzernchef Ingo Steinkrüger unlängst. Für die Auftragspipeline sei man vorsichtig optimistisch: "Wir hören von überall den Mangel an Arbeitskräften. Der wird unserer Meinung nach nicht verschwinden", sagte Steinkrüger weiter. Die Lösungen von INTERROLL hätten langfristig ein Potenzial, diese Krise zu meistern.
Zudem habe sich die Versorgungssicherheit stabilisiert, bezüglich der Lieferkette sei man gut aufgestellt und vernetzt. Aber auch INTERROLL müsse die höheren Materialpreise an die Kunden weitergeben.
Dätwyler-Aktie
Noch härter traf die pessimistische Börsenstimmung, die Schweizer Industriewerten derzeit entgegenschlägt, die Industriegruppe Dätwyler. In 3 Monaten ging es um rund ein Drittel abwärts, seit Jahresbeginn hat die Dätwyler-Aktie sogar satte 43 Prozent verloren. Als grösster Belastungsfaktor für die Aktie hat sich dabei die jüngst erfolgte Reduzierung der Jahresziele erwiesen. Durch die zeitverzögerte Wirkung der umgesetzten Preiserhöhungen und Einsparungen ergebe sich ein temporärer Margendruck, räumte das Unternehmen unlängst ein.
Statt eine EBIT-Marge am unteren Ende des Zielbandes von 18 bis 21 Prozent erwartet Dätwyler nun nur noch eine EBIT-Marge zwischen 13 und 16 Prozent. Schuld seien in diesem Zusammenhang auch der anhaltende Mangel an Elektronikkomponenten in der Automobilindustrie sowie der Pandemie-Lockdown in China - das Unternehmen sei allerdings voll lieferfähig.
V-Zug-Aktie
Auch die Aktie von V-Zug ist in den vergangenen drei Monaten abgestraft worden und verlor rund 9 Prozent, während sich das Minus seit Jahresstart auf rund 22 Prozent summiert. Anleger wurden jüngst durch eine Gewinnwarnung verprellt: Das angekündigte Betriebsergebnis werde im ersten Semester nicht erreicht werden können, hiess es. Und auf einen Ausblick für das Gesamtjahr 2022 werde verzichtet, "wegen des unsicheren Zeithorizonts bezüglich einer Normalisierung in den Zulieferketten".
Doch die Auftragsbücher sind gut gefüllt, man verfüge über einen "ausserordentlich hohen Auftragsbestand", ein attraktives Produktportfolio, Effizienzsteigerungen aufgrund der Investitionen in die Produktion, den Verkaufspreisanpassungen sowie weiterhin sehr positiv fortschreitender Marktdurchdringung in den internationalen Märkten, so V-Zug im Rahmen der Gewinnwarnung.
Wie sollten sich Anleger positionieren?
Schweizer Industriewerte haben mehrheitlich mit den gleichen Gegenwindfaktoren zu kämpfen: Die Pandemie- und Lockdown-bedingt schwierigere Komponentenbeschaffung in China sowie die Folgen des Krieges in der Ukraine. Alles in allem sind die Auftragsbücher der Firmen aber weitgehend gut gefüllt, die Nachfrage nach Industrieprodukten bleibt unverändert hoch. Das hatte kürzlich auch Swissmem bestätigt: Der Branchenverband zeigte sich zuversichtlich für Titel der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie. Martin Hirzel, Präsident des Industriebranchenverbandes, betonte jüngst in der Samstagsrundschau von Radio SRF die gute Auftragslage und die starke Nachfragesituation. Obwohl mit weiteren Verwerfungen am Markt zu rechnen sei, verwies Hirzel auf die gestiegene Beschäftigung in der Schweizer Industrie, um Arbeitsplätze bei Schweizer MEM-Firmen mache er sich daher keine Sorgen. Er verwies allerdings darauf, dass man - gerade in der Schweiz - auf offene Märkte, auf Freihandel und ein gutes Verhältnis mit der EU angewiesen sei, da 80 Prozent der Schweizer Industriegüter exportiert würden. "Noch steht das nicht auf dem Spiel", betonte Hirzel und bekräftigte zudem in diesem Zusammenhang, dass er insbesondere bezüglich des Verhältnisses zur EU wieder optimistischer sei als noch vor einigen Monaten.
Den Unternehmen geht es also grundsätzlich gut, die gestörten Lieferketten und die Folgen des Ukraine-Krieges verhindern aber, dass Industriekonzerne hierzulande ihre Kapazitäten voll ausschöpfen können. Dennoch sind die Markterwartungen an ebendiese Titel besonders hoch - Anleger, sollten sich daher darauf einstellen, dass die Beschaffungsprobleme und Kriegsfolgen auf weitere Unternehmen übergreifen und diese zur Anpassung ihrer Prognosen zwingen werden.
Da die Probleme aber nicht unternehmensspezifischer Natur sind, sollten Anleger Panikverkäufe im Sektor vermeiden, sofern sie grundsätzlich positive Erwartungen an das Geschäftsmodell der jeweiligen Konzerne haben. Dann könnte der jüngst deutliche Rückgang der Aktienkurse auch Chancen auf einen attraktiven Einstieg bieten.
Redaktion finanzen.ch
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