Schweizer Banken |
11.11.2019 17:25:54
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Skandal in Zürich! Bankenkrimi schockt die Finanzszene
Tatort Paradeplatz: Ein Skandal erschüttert die helvetische Finanzwelt in ihren Grundfesten. Mittendrin zwei Alphatiere, die von Kollegen zu erbitterten Rivalen wurden.
Die diskrete Welt der Schweizer Top-Banken am Zürcher Paradeplatz wird von einem Skandal erschüttert, der alle Züge einer Hollywood-Seifenoper trägt und international für Schlagzeilen sorgt. Es geht um die Egos von zwei Starbankern, ihre Beinaheschlägerei unter Alkoholeinfluss bei einer Cocktailparty, eine Verfolgungsjagd mit Privatdetektiven in den Strassen Zürichs und um einen Selbstmord. Der Streit entzaubert die geheimnisvolle Branche und führte zu einem Reputationsverlust der zweitgrösssten Schweizer Bank, der Credit Suisse (CS), eines der renommiertesten Geldhäuser der Welt.
Die Hauptdarsteller dieses Thrillers könnten unterschiedlicher nicht sein: Tidjane Thiam (57), Diplomatensohn, Eliteschüler, Ex-Minister in seiner afrikanischen Heimat Elfenbeinküste, als Überflieger und Wunderkind der Finanzbranche hochgelobter CEO der Credit Suisse. Auf der anderen Seite Iqbal Khan (43), Sohn pakistanischer Einwanderer, ein ehrgeiziger Aufsteiger, der 2013 als Finanzchef der Vermögensverwaltung bei der Bank anheuerte. Der Quereinsteiger wurde rasch zum besten Kundenfänger und Kronprinzen.
Dass Khan ein Mann der Zukunft für das Bankhaus war, fiel Thiam auf, als er 2015 neuer CS-Boss wurde: Er beförderte ihn mehrfach und machte den erst 39-jährigen Einwanderersohn, einen harten Arbeiter mit 70-Stunden-Woche, schliesslich zum Chef der internationalen Vermögensverwaltung. Khans Bereich glänzte mit hervorragenden Zahlen: Ergebnis deutlich verbessert, verwaltetes Vermögen gestiegen, Kosten im Griff. Binnen drei Jahren hatte seine Abteilung den Gewinn von 1,1 Milliarden auf 1,8 Milliarden Franken erhöht.
Thiam sah Khan anfänglich als seinen Ziehsohn: "Ich habe Iqbal erfunden", soll er immer wieder betont haben. Er rief dessen Sparte zum Herzstück der künftigen Unternehmensstrategie aus. Khan dagegen soll sich zunehmend darüber beschwert haben, dass es ihm an Perspektiven für den Aufstieg an die CS-Firmenspitze fehle.
Pikant wurde das Verhältnis der beiden Alphatiere, als Khan ein Grundstück direkt neben Thiams Luxusvilla in der knapp 6.000 Einwohner zählenden Gemeinde Herrliberg an Zürichs "Goldküste" kaufte. Das Mikroklima in Herrliberg, ein Luxusrefugium für den Geldadel, an den Sonnenhängen unmittelbar vor den Toren der Stadt Zürich gelegen, ist so mild, dass Hanfpalmen und Feigen wachsen. Und es ist auch steuerlich so mild, dass die Porsche-Cayenne- und Bentley-Dichte im Dorf ungewöhnlich hoch ist. An der "Goldküste" ist jeder fünfte Einwohner Millionär, berechnete das Wirtschaftsmagazin "Bilanz".
Thiam hatte im September 2015 in Herrliberg eine mondäne Villa mit einer Rundumbibliothek, 25-Meter-Aussenpool und einem Schätzwert von zehn Millionen Franken erworben. Drei Monate später kaufte ausgerechnet Khan das direkt zu Thiams Villa benachbarte Haus, liess die Bulldozer auffahren und es abreissen. Zwei Jahre lang wurde gebaut, zum Teil auch an den Wochenenden. Thiam litt offenbar unter dem Baulärm, beklagte sich laut "Financial Times" sogar beim CS-Verwaltungsratspräsidenten Urs Rohner über die Lärmbelästigung.
Handfester Streit eskaliert
Die beiden Banker sollen lange Zeit nicht gewusst haben, dass sie bald Nachbarn würden. Erst als Khan regelmässig auf der Baustelle auftauchte und Thiam ihn dabei beobachtete, wurde die Sache klar. Thiam soll übrigens über seine neuen Nachbarn nicht begeistert gewesen sein. Er wohnt allein in seiner Villa. 2015 hatte er die Scheidung von seiner Frau Annette eingereicht, einer amerikanischen Anwältin, die er bei der Weltbank in New York kennengelernt hatte und die nun in London lebt. Die beiden haben zwei erwachsene Söhne. Thiam hat inzwischen eine Freundin, eine 35-jährige Managerin, die er aus seiner Zeit als CEO bei Prudential in London kennt und mit der er sich inzwischen auch öffentlich zeigt.
Das "beispiellose Drama", wie der "Spiegel" den hollywoodreifen Streit zwischen den beiden Top-Bankern nannte, begann an einem Januar-Abend 2019. Tidjane Thiam hatte rund 60 Freunde und Mitarbeiter der CS, darunter auch Khan und seine Ehefrau, die erst kurz zuvor mit ihren zwei Kindern in dem modernen nachbarlichen Backsteinbau eingezogen waren, zu einer Cocktailparty eingeladen. Es wurde viel Alkohol getrunken, und irgendwann gegen Ende des Abends kam es zu einer folgenschweren Auseinandersetzung zwischen Thiam und Khan. Was sich genau abgespielt hat, darüber gibt es unterschiedliche Versionen.
Unbestritten ist, dass die beiden Nachbarn etwas abseits der Gäste aufeinander losgingen, zumindest verbal, einigen Augenzeugen zufolge sogar fast handgreiflich. Das Webportal Inside Paradeplatz schrieb: "Thiam drohte Khan mit physischer Gewalt." Dieser habe später angegeben, sich an Leib und Leben bedroht gefühlt zu haben.
Was war der Grund für dieses Verhalten? Khan soll sich bei der Party gegenüber Thiams neuer Freundin - angeblich in beleidigender Weise - über drei frisch gepflanzte Bäume beschwert haben, die seinen Seeblick versperrten. Daraufhin stellte der CEO seinen Spartenvorstand zur Rede. Es wurde laut, und offenbar spielte auch der Alkohol eine Rolle. Khans Vertraute erzählen dagegen eine andere Version: Thiam habe den Erfolg von Khan zunehmend skeptisch verfolgt, das Wunderkind, dessen internationale Vermögensverwaltung Milliardengewinne einfuhr, sei für ihn eine Bedrohung geworden. Er habe es schlicht nicht ertragen, dass Khan bereits als sein Nachfolger gehandelt wurde.
Imagedesaster für Credit Suisse
Von da an war die Beziehung zwischen den beiden Alphatieren zerrüttet. Khan meldete später den Vorfall dem Verwaltungsrat der Credit Suisse. Urs Rohner, der Verwaltungsratspräsident, versuchte zu schlichten - ohne Erfolg. Im Gegenteil, im Arbeitsalltag fielen nun abfällige Bemerkungen, Mails wurden verspätet beantwortet. Khan wurde klar, dass er bei der Credit Suisse wohl keine Chance mehr haben würde, später Thiam als CEO zu beerben. Im Juli kündigte er deshalb, im September wechselte er zum Erzrivalen UBS - als Co-Leiter der Sparte Global Wealth Management. Er hatte sich zuvor verpflichtet, keinen seiner früheren Kollegen bei der Credit Suisse abzuwerben.
Damit war der Schlussakt dieser Kabale aber noch nicht geschrieben. Bei der CS befürchtete man, Khan könne trotzdem enge Mitarbeiter mit zur UBS nehmen. Nach Informationen der "FAZ" hatte man "klare Hinweise auf handfeste Abwerbeversuche". Die Bank beauftragte deshalb über einen Mittelsmann die kleine Zürcher Detektei Investigo, die eigentlich auf Sozialbetrug spezialisiert ist, mit der Beschattung Khans. Wohl mit dem Ziel, ihn bei Treffen mit CS-Kundenberatern zu ertappen.
Khan habe bereits länger den Eindruck gehabt, dass er und seine Familie verfolgt würden. Er habe sich bedroht gefühlt und deshalb zumindest vorübergehend auch eigenes Sicherheitspersonal beschäftigt. Zum Showdown kam es in einer Seitenstrasse der Zürcher Luxusshoppingmeile Bahnhofstrasse. Khan wurde offensichtlich von einem Fahrzeug verfolgt, er hielt an und wollte das Auto, das Nummernschild und die Insassen - laut Khan drei richtige Schlägertypen mit Glatze und Tattoos - mit seinem Handy fotografieren.
Er sei dann von den Detektiven bedroht worden, sie wollten ihm das Handy abnehmen, es kam zu einem Handgemenge, Khan rief die Polizei um Hilfe, worauf die Verfolger mit dem Auto flüchteten. Der Banker erstattete daraufhin Strafanzeige.
Die News von der Verfolgungsjagd wurden rasch publik und sorgten international für Schlagzeilen. Genüsslich berichtete etwa das Finanzportal Bloomberg laufend über den Bankerthriller an dem sonst so diskreten Schweizer Finanzplatz. "Das ist extrem beunruhigend", zitierte die "Financial Times" einen Grossinvestor der CS. "Das wird in Zürich zu einer Zeitbombe, und man kann die Panik förmlich spüren. Beide Seiten wurden beschädigt, aber vor allem die Credit Suisse." Der Skandal war perfekt, der Reputationsschaden gross, der Aktienkurs fiel innerhalb weniger Tage um 5,8 Prozent, und für die Credit Suisse musste jetzt ein Bauernopfer her, um den Konzernchef Thiam zu schützen. Oswald Grübel, der frühere Chef von UBS und CS, forderte bereits, Thiam müsse entlassen werden. Gehen musste allerdings der COO und Thiam-Intimus Pierre-Olivier Bouée, den Thiam einst beim Versicherer Prudential abgeworben hatte und der bei der Bank den Ruf als "Mann fürs Grobe" hatte. Entlassen wurde auch der Sicherheitschef der Bank.
Öffentliche Abbitte
Eine externe Untersuchung der Zürcher Anwaltskanzlei Homburger im Auftrag des CS-Verwaltungsrats sprach Thiam von jedem Verdacht frei. Man habe keine Hinweise gefunden, dass der CEO irgendetwas von der Observierung Khans gewusst habe. Verwaltungsrat Rohner entschuldigte sich sogar öffentlich bei der Familie Khan für die Beschattung. Sie habe auch nichts zutage gefördert, was Khan belasten würde.
Ein weiterer tragischer Höhepunkt des Dramas: Der Mittelsmann, der den Auftrag der Bank an die Detektei vermittelt hatte, beging Selbstmord. Von verschiedenen Medien wurde der Suizid mit der misslungenen Verfolgungsjagd in Verbindung gebracht.
Sogar die wirtschaftsfreundliche "Neue Zürcher Zeitung" zeigte sich besorgt. Der Skandal schade dem Erfolgsmodell Schweiz, "viele werden sich in ihren Vorurteilen gegenüber überbezahlten Bankern, die mit übersteigertem Selbstbewusstsein ein abgehobenes Leben führen, bestätigt fühlen". Den Freispruch Thiams sieht das Blatt ebenfalls mit Skepsis: "Auch wenn keine belastenden Hinweise gefunden wurden, fällt es schwer, zu glauben, dass der CEO von der Aktion gegen seinen scheidenden Kontrahenten tatsächlich nichts gewusst hat. Über Thiam hängt der Schatten eines befremdlichen Disputs." Es dürfte einsam werden um Thiam. Das einstige Wunderkind ist angezählt.
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Credit Suisse
Mieses Image, maue Rendite
Das Image des Geldhauses ist zwar schwer beschädigt, aber eine Verdopplung des Nettogewinns sollte Anleger an sich milde stimmen. Die Credit Suisse hat vergangene Woche eine solche Steigerung auf 881 Millionen Franken im dritten Quartal gemeldet. Der Aktienkurs brach dennoch ein. Das Plus rührt aus dem Verkauf der Fondsplattform Investlab, einer günstigen Steuerquote und gesunkenen Restrukturierungskosten. Indes schwächelt das Asien-Geschäft und die Eigenkapitalrendite bleibt mit 8,8 hinter den anvisierten zehn bis elf Prozent zurück. Konkurrent UBS hat dieses Ziel längst erreicht - und geringere Risiken im Buch. Anleger warten ab.
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