Nach Insolvenzantrag |
26.06.2020 17:58:35
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Wirecard-Aktie unter zwei Euro: Ab Dienstag nicht mehr im Stoxx Europe 600 - EU will Rolle der Bafin prüfen
Infolge des Insolvenzantrags des deutschen Zahlungsabwicklers Wirecard werden dessen Aktien in der kommenden Woche aus dem Stoxx Europe 600 entfernt.
Wichtig sind Index-Änderungen vor allem für Fonds, die Indizes exakt nachbilden. Dort muss dann entsprechend umgestellt werden, was Einfluss auf die Aktienkurse haben kann.
Im DAX dürfte Wirecard derweil noch bis September bleiben, da hier die Regeln anders sind.
EU-Kommission schaltet europäische Finanzaufsicht ein
Im Wirecard-Skandal schaltet die EU-Kommission jetzt die europäische Finanzaufsicht ESMA ein. Die Aufseher sollen den Zusammenbruch des Münchner Zahlungsdienstleisters und mögliche Versäumnisse der Aufsichtsbehörden unter die Lupe nehmen. Bis 15. Juli soll ein vorläufiger Untersuchungsbericht vorliegen. Dies geht aus einem Schreiben der Kommission an die ESMA hervor, das der Deutschen Presse-Agentur am Freitag vorlag.
Der Zahlungsdienstleister hatte am Donnerstag Insolvenzantrag gestellt. Hintergrund ist ein mutmasslicher Betrugsskandal um Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, die den Jahresabschluss 2019 prüfte, geht von schwerer Kriminalität im globalen Massstab aus.
Im Brief der EU-Kommission an die ESMA (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde) in Paris heisst es, nötig sei eine umfassende Beschreibung und Analyse der Ereignisse und eine Prüfung, ob die Reaktion der Aufsichtsbehörden angemessen gewesen sei. In Deutschland zuständig ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin).
Die ESMA müsse sich den Vorfall unter dem Gesichtspunkt ansehen, dass EU-Anleger umfassend geschützt seien, wenn sie in Firmen investierten, die im regulierten Markt in der EU gelistet seien, heisst es in dem Schreiben. Das sei auch wichtig für mögliche weitere Schritte. Verfasst wurde der Brief von der zuständigen Generaldirektion für Finanzmarktstabilität der Kommission, gerichtet ist er an ESMA-Chef Steven Maijoor.
An der Börse war es wegen des Skandals zu Panikverkäufen gekommen. Wirecard-Aktien stürzten ab. Unter den Leidtragenden, die nun auf quasi wertlosen Papieren sitzen, sind sehr viele Kleinaktionäre.
Kanzlei: Wirecard-Anleger können Schadensersatz fordern
Die Anleger des insolventen Bezahldienstleisters Wirecard haben laut einer Anwaltskanzlei weiterhin Anspruch auf Schadensersatz gegen das Unternehmen. Zwar müssten die Forderung von Anlegern in Wirecard-Aktien, -Anleihen und -Derivaten in der Insolvenz hinten anstehen.
"Wir haben derzeit Anzeichen dafür, dass aber werthaltige Ansprüche gegen die Wirtschaftsprüfer EY und möglicherweise sogar die Bafin bestehen könnten", sagte der Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Michael Leipold laut einer Pressemitteilung seiner Kanzlei. Bei der Finanzaufsicht Bafin habe "sogar der oberste Chef erhebliche Fehler eingeräumt".
Die Wirtschaftsprüfer hätten anscheinend über mehrere Jahre falsche Jahresabschlüsse des DAX-Konzerns testiert. Anlegern seien dadurch Informationen vorenthalten, in dessen Kenntnis sie das Investment nicht getätigt hätten, so die Kanzlei.
Ansprüche auf Schadensersatz könnten sich daher für alle Anleger ergeben, die zwischen dem 24.02.2016 und dem 18.06.2020 Wertpapiere gehandelt haben.
EY geht bei Wirecard derweil von einem umfassenden und konspirativen Betrug aus. Das Testat für den Jahresabschluss 2019 hatten die Wirtschaftsprüfer Wirecard wegen gefälschter Unterlagen verweigert.
Der DAX-Konzern hatte am Donnerstag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung einen Insolvenzantrag gestellt. Auch für Tochtergesellschaften seien entsprechende Anträge möglich. Wirecard drohte die Kündigung von Krediten im Umfang von 1,3 Milliarden Euro Ende Juni. Am Montag hatte Wirecard einräumen müssen, dass Bankguthaben bei zwei philippinischen Banken in Höhe von mehr als 1,9 Milliarden Euro wahrscheinlich nicht existieren.
SdK stellt Strafanzeige gegen Abschlussprüfer der Wirecard AG
Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) hat nach der Insolvenz des Bezahldienstleisters Wirecard Strafanzeige gegen zwei amtierende und einen ehemaligen Abschlussprüfer der Ernst & Young GmbH (EY) gestellt. Der Wirtschaftsprüfer sei ab dem Geschäftsjahr 2009 mit der Prüfung des Konzernabschlusses und Jahresabschlusses von Wirecard beauftragt gewesen. Doch erst nach elf Jahren und einer Sonderuntersuchung des Konkurrenten KPMG seien auch EY die Mängel bei dem inzwischen im DAX notierten Konzern aufgefallen, schreiben die Aktionärsschützer.
Das Testat für den Jahresabschluss 2019 hat EY Wirecard wegen gefälschter Unterlagen verweigert. Der Wirtschaftsprüfer monierte das Fehlen von mehr als 1,9 Milliarden Euro an angeblichen Bankguthaben und geht inzwischen von einem umfassenden und konspirativen Betrug aus.
"Gerade die Überprüfung der Existenz von Bankguthaben gehört zu den eher leichteren Aufgaben eines Abschlussprüfers und das Vorgehen hierbei ist klar geregelt", so die SdK. Jedoch sei Medienberichten zu Folge für die Jahre 2016 bis 2018 von Seiten der Abschlussprüfer keine Saldenbestätigung bei den betreffenden Banken angefordert worden. "Aus Sicht der SdK ist es auch völlig unverständlich, dass trotz kritischer Fragestellungen von Seiten der SdK, großen Hedgefonds und vor allem der Financial Times hier anscheinend in den Vorjahren keine Prüfung stattgefunden hat, die den eigenen Maßstäben von Ernst & Young entspricht."
Am Donnerstag hat Wirecard wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung einen Insolvenzantrag gestellt. Wirecard drohte die Kündigung von Krediten im Umfang von 1,3 Milliarden Euro Ende Juni. Von den hohen Verlusten durch den Kurseinbruch sind laut SdK neben institutionellen Investoren vor allem Privatanleger betroffen.
Die SdK hält ihren Angaben zufolge eine Aktie der Wirecard AG. Die Aktionärsschützer kündigten an, auf künftigen Hauptversammlung bis auf Weiteres gegen eine Bestellung von EY zum Abschlussprüfer bzw. Konzernabschlussprüfer zu stimmen - und zwar so lange, bis der Wirtschaftsprüfer zur Prüfungspraxis ausführlich Stellung genommen und erläutert habe, wie in Zukunft Bilanzmanipulationen dieses Ausmaßes aufgedeckt werden sollen.
Wirecard werden Zahlungsdienste in Großbritannien untersagt
Die vor der Insolvenz stehende Wirecard AG darf in Großbritannien keine elektronischen Zahlungen mehr abwickeln. Die Finanzmarktaufsicht FCA untersagte der Wirecard Card Solutions Ltd mit sofortiger Wirkung alle regulierten Aktivitäten und beauftragte das Unternehmen zugleich, dies seinen Kunden mitzuteilen. Überdies sprach sie ein Verbot aus, Gelder und Vermögenswerte zu verschieben.
In einer Mitteilung der Financial Conduct Authority heißt es, damit seien Kundengelder bei der britischen Gesellschaft gesichert.
Deutschland im Wirecard-Skandal unter Druck aus Brüssel
Nach dem auf mutmasslich kriminelle Machenschaften zurückzuführenden Milliardencrash des Dax -Konzerns Wirecard gerät die Bundesregierung unter Druck aus Brüssel. Die EU-Kommission schaltet die europäische Finanzaufsicht ESMA ein. Die Aufseher sollen den Zusammenbruch des Münchner Zahlungsdienstleisters und mögliche Versäumnisse der Aufsichtsbehörden unter die Lupe nehmen. Bis 15. Juli soll ein vorläufiger Untersuchungsbericht vorliegen. Das geht aus einem Schreiben der Kommission an die ESMA hervor, das der Deutschen Presse-Agentur am Freitag vorlag.
Die Bundesregierung ist alarmiert - und will ihrerseits prüfen, ob es an der Aufsicht haperte: "Das ist ein besorgniserregender Fall", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. "Und natürlich muss es darum gehen, Schaden vom Finanzplatz Deutschland insgesamt abzuwenden.". Deswegen müssten Schwächen bei den Kontrollmechanismen, "wo sie sich herausstellen, auch behoben werden." Die Aufsichtsbehörde des Bundes für Wirecard ist die Bafin.
Am Vorabend hatte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) bereits angekündigt, die Aufsichtsstrukturen auf den Prüfstand stellen zu wollen. O-Ton Scholz: "Der Fall Wirecard AG ist ein Skandal, der in der Finanzwelt schon seinesgleichen sucht." Das Finanzministerium soll in den kommenden Tagen ein Konzept ausarbeiten.
Ebenso in der Kritik wie die Bafin sind die Bilanzprüfer, die die Jahresabschlüsse des Konzerns testierten und in den vergangenen Jahren keinen Hinweis auf Manipulationen entdeckten. Das Wirtschaftsministerium sieht auch die Prüfungsgesellschaften in der Verantwortung. "Die müssen natürlich Fehler in Bilanzen frühzeitig erkennen und wenn das schief gelaufen ist, dann auch tatkräftig dazu beitragen, das aufzuarbeiten", sagte eine Sprecherin.
Die Papiere des im Bilanzskandal versunkenen Zahlungsabwicklers Wirecard haben am Freitag auf XETRA erneut deutlich unter Druck gestanden. Sie kosteten zum Handelsende nur noch 1,28 Euro und standen damit 63,74 Prozent im Minus - das Tief lag bei 1,08 Euro./ck/mis
ZUG (awp international) / (Dow Jones)
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