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Wahlkampfversprechen |
03.12.2023 16:42:00
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Kommt bald der US-Dollar nach Argentinien? Die Pläne vom neuen Präsidenten Javier Milei unter der Lupe
Argentinien bekommt einen neuen Präsidenten: Der ultraliberale Javier Milei konnte am 19. November bei der Wahl triumphieren und wird das Amt am 10. Dezember antreten. Im Wahlkampf versprach er grosse Reformen für das krisengebeutelte Land. Unter anderem soll der argentinische Peso zugunsten des US-Dollars abgeschafft werden. Aber wie realistisch ist eine solche Dollarisierung?
• Dollarisierung könnte hohe Inflation voraussichtlich zähmen, dennoch für Wirtschaft womöglich nicht sinnvoll
• Voraussetzungen für Umsetzung der Pläne könnten fehlen
Argentinien hat einen neuen Präsidenten gewählt: Der selbst ernannte "Anarchokapitalist" Javier Milei von der Partei La Libertad Avanza - übersetzt so viel wie "Die Freiheit schreitet voran" - konnte bei der Wahl am 19. November die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen. "Heute beginnt der Wiederaufbau von Argentinien. Es gibt keinen Platz für Teilschritte, Lauheit oder halbe Sachen", sagte Milei laut der Nachrichtenagentur dpa-AFX nach seinem Sieg. "Wenn wir nicht schnell mit strukturellen Veränderungen vorankommen, steuern wir geradewegs auf die schlimmste Krise unserer Geschichte zu", so der zukünftige argentinische Präsident weiter.
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Jetzt informierenTatsächlich leidet Argentinien bereits seit Jahrzehnten unter zahlreichen Problemen. Laut "tagesschau" lag etwa die Inflationsrate des südamerikanischen Landes im Oktober bei knapp 143 Prozent, in den letzten fünf Jahren ist der Wert des argentinischen Peso gegenüber dem US-Dollar laut "CNN Business" um rund 875 Prozent gefallen. Zudem ist das Land hochverschuldet, die Wirtschaft leidet unter einer mehrjährigen Dürre, einer geringen Produktivität der Industrie, einer grossen Schattenwirtschaft und einem aufgeblähten Staatsapparat. Laut dpa-AFX leben rund 40 Prozent der Argentinier unterhalb der Armutsgrenze. Diese Themen will Javier Milei nun angehen. "Wir haben gewaltige Probleme vor uns: Inflation, wirtschaftliche Stagnation, Mangel an echten Arbeitsplätzen, Unsicherheit, Armut und Bedürftigkeit", sagte er laut "CNN". Seine Lösungen: Privatisierung von Staatskonzernen, Abschaffung von Ministerien, Streichung von Sozialausgaben und Einführung des US-Dollars als gesetzliches Zahlungsmittel. Vor allem die im Wahlkampf versprochene Dollarisierung Argentiniens sorgt dabei international für viel Aufsehen.
Das steckt hinter der Idee der Dollarisierung
Wie "CNN Business" erklärt, bedeute eine Dollarisierung, dass Argentinien den Peso aufgeben und stattdessen den US-Dollar als Währung verwenden würde. Die argentinische Zentralbank, die in der Vergangenheit oft Geld gedruckt hatte, um einen Zahlungsausfall des Landes zu verhindern, hätte somit keinerlei Kontrolle mehr über Argentiniens Geldpolitik. Stattdessen müsste das Land den Entscheidungen der US-Notenbank Federal Reserve folgen. Wie "The Guardian" aber herausstellt, seien Argentinien und die USA sehr unterschiedliche Volkswirtschaften. Daher könne die richtige Geldpolitik für die USA möglicherweise die falsche für Argentinien sein.
In der Vergangenheit hat Argentinien bereits einmal eher schlechte Erfahrungen gemacht, als es seine Währung 1991 zu einem festen Wechselkurs an den US-Dollar gekoppelt hatte. Nach einer tiefen Rezession und heftigen Protesten gegen die Beschränkung von Bargeldabhebungen musste diese Kopplung 2002 wieder aufgegeben werden. Eine Dollarisierung des Landes ist allerdings noch einmal ein anderes Vorgehen - und nicht beispiellos in Mittel- und Südamerika. So haben laut "CNN Business" etwa bereits Panama und Ecuador eine Dollarisierung durchgeführt, allerdings sind diese Länder deutlich kleiner als Argentinien, das Mitglied der G20 ist, also zu den weltweit wichtigsten Industrie- und Schwellenländern gehört.
Dollarisierung Argentiniens bei Experten umstritten
Gemäss der Argumentation des designierten argentinischen Präsidenten Milei würde eine Dollarisierung von Argentinien unter anderem das Problem der Hyperinflation lösen, so "CNN Business". Diese Sichtweise teilen auch einige Experten - sehen jedoch zum Teil noch ganz andere Probleme. Für Steve Hanke und Matt Sekerke von der Johns Hopkins University ist "die Dollarisierung in Argentinien [...] nicht nur machbar, sondern wünschenswert", wie sie in einem Beitrag für "Central Banking" schreiben. Während die Dollarisierung "ein todsicherer Weg wäre, die Inflation unter Kontrolle zu bringen, wäre sie keine Lösung für die Haushaltsprobleme des Landes", gab jedoch William Jackson laut "CNN Business" zu bedenken. Er ist beim Wirtschaftsforschungsunternehmen Capital Economics als Chefökonom für Schwellenländer tätig. Ähnlich äusserte sich laut "Reuters" auch Elijah Oliveros-Rosen, Chefökonom für Schwellenländer bei S&P Global Ratings: "Die Dollarisierung würde das Hauptproblem in Argentinien nicht lösen, das ein wirklich grosses Haushaltsproblem darstellt", so Oliveros-Rosen. "Die Dollarisierung ist kein Allheilmittel; sie garantiert weder ein hohes Wirtschaftswachstum noch eine solide Haushaltsführung", warnte auch Daniel Raisbeck, Politikanalyst bei der US-libertären Denkfabrik Cato Institute, laut "QUARTZ". Er glaubt allerdings, dass die Massnahme eine gewisse Stabilität erzeugen könne, sie müsse jedoch von soliden angebotsseitigen Massnahmen begleitet werden. Sei das nicht der Fall, könne eine Dollarisierung womöglich mehr schaden als nützen.
Portfoliomanager Thierry Larose von Vontobel Asset Management bezeichnete die Pläne für eine Dollarisierung Argentiniens laut "CNN Business" hingegen als "schrecklich Idee", die "kurzfristig nicht passieren" werde. Seiner Meinung nach sei die argentinische Wirtschaft zu fragil für diesen Schritt. Sollte er dennoch durchgeführt werden, ergebe sich ein äusserst ungünstiger Umrechnungskurs für den Peso, was die ohnehin schon hohe Armut im Land weiter ansteigen lassen würde. Allerdings könne der Weg hin zu einer Dollarisierung der argentinischen Wirtschaft durchaus zugutekommen. "Um die Dollarisierung zu erreichen, muss man [die Wirtschaft] stabilisieren: die Hyperinflation stoppen und die Devisenreserven wieder aufbauen", so der Vontobel-Experte laut "CNN Business". Dafür nötig seien eine Haushaltskonsolidierung und Zugang zu den Kapitalmärkten. Letzterer ist Argentinien jedoch weitgehend verwehrt, da das Land von Rating-Agenturen derzeit als "im teilweisen Zahlungsausfall" bewertet wird. Auch Alejandro Werner, ehemaliger Direktor der Abteilung für westliche Hemisphäre des Internationalen Währungsfonds (IWF), sagte im September gegenüber "Americas Quarterly", dass die Dollarisierung "aus wirtschaftlicher Sicht [auf die] Grösse, Diversifizierung und Komplexität Argentiniens [...] eindeutig kein optimales Wechselkurssystem" sei.
Machen fehlende Fremdwährungsreserven Mileis Pläne zunichte?
Ein Punkt, der laut mehreren Experten Argentiniens Vorhaben einer Dollarisierung ganz konkret im Wege stehe, seien die mangelnden Fremdwährungsreserven. "Wenn man zu einem aus sozialer und wirtschaftlicher Sicht sinnvollen Umrechnungskurs Dollarisierung betreiben will, benötigt man einen Mindestbetrag an internationalen Reserven", sagte beispielsweise Vontobel-Portfoliomanager Thierry Larose laut "CNN Business". Den habe Argentinien aber nicht. Auch Oliveros-Rosen von S&P Global äusserte sich ähnlich. "Sie haben nicht genug Dollar, um die Geldbasis umzuwandeln, also müssten sie Auslandsschulden emittieren, um mit der Dollarisierung zu beginnen", sagte er laut "Reuters".
Während sich die Experten weitgehend darüber einig sind, dass die argentinische Zentralbank nahezu keine Dollar-Reserven besitzt, wird heftig darüber diskutiert, ob diese für eine Dollarisierung überhaupt nötig seien. Denn anders als die Regierung, dürften die argentinischen Bürger und Unternehmen insgesamt durchaus auf grossen Dollar-Beträgen sitzen. So hatte Javier Milei laut "Reuters" den Bürgern etwa bereits im Wahlkampf empfohlen, die Finger vom Peso zu lassen, da dieser nicht einmal als "Exkrement" tauge. Laut übereinstimmenden Medienberichten tauschen viele Argentinier ausserdem bereits seit längerem jeden überschüssigen Peso in US-Dollar um, um sich zumindest etwas vor der extrem hohen Inflation zu schützen. Wie "DW" unter Berufung auf das argentinische Statistikamt berichtet, hätten die Argentinier Ende 2022 mehr als 246 Milliarden US-Dollar auf ausländischen Konten oder als Dollarnoten gehalten. Auch "Capital" spricht davon, dass in keinem anderen Land der Welt - ausser den USA - so viele Dollarnoten im Umlauf seien wie in Argentinien und schätzt, dass die Argentinier etwa 200 Milliarden US-Dollar in bar besitzen dürften.
Die Argentinier hätten den Peso schon lange aufgegeben, schreiben Steve Hanke und Matt Sekerke von der Johns Hopkins University bei "Central Banking". Zudem müsse man beachten, dass Geld in erster Linie eine Rechnungseinheit sei und der grösste Teil der Geldmenge vom Geschäftsbankensystem produziert werde. Daher sei der Wechsel von Peso zu US-Dollar hier eine recht einfache Umstellung. "Wenn man dem Irrtum aus dem Weg gehen kann, davon auszugehen, dass die Verbindlichkeiten der Zentralbank durch Devisenreserven beglichen werden müssen, wird die Dollarisierung zu einem weitaus vernünftigeren Vorschlag", so die beiden US-Experten. Für das Zurückkaufen des Peso-Bargelds seien indes mehr als genug Reserven vorhanden und für die Umstellung der Forderungen auf Staatsschulden sei keine weitere Liquidität erforderlich, so Hanke und Sekerke bei "Central Banking".
Politischer Rückhalt womöglich nicht ausreichend
Doch auch wenn eine Dollarisierung in Argentinien technisch umsetzbar wäre, könnte sie am fehlenden politischen Rückhalt scheitern. Denn Wahlsieger Milei habe mit seiner Partei im argentinischen Parlament laut dpa-AFX keine Mehrheit, sein Lager stelle keinen einzigen Provinzgouverneur und ihm fehle qualifiziertes Personal, um wichtige Schlüsselpositionen zu besetzen. "Wir vermuten, dass einige seiner radikaleren Vorschläge - insbesondere die Dollarisierung - angesichts der begrenzten Unterstützung sowohl im Parlament als auch in der Öffentlichkeit möglicherweise nicht umgesetzt werden", sagte auch William Jackson von Capital Economics laut "CNN Business". Womöglich ist sich auch Milei dessen bewusst, denn laut "The Guardian" erwähnte er in seiner Siegesansprache nach der Wahl weder die versprochene Dollarisierung, noch eine Abschaffung der argentinischen Zentralbank.
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