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Experten-Kolumne 06.03.2014 12:04:36

Ohne Schwellenwerte: Der neue Kurs der Fed

Kolumne

Ben Bernanke hat nun offiziell die Führung der US-Notenbank Fed an die hochqualifizierte Janet Yellen übergeben, die in ihrer ersten Rede vor dem US-Kongress Kontinuität im Kurs der Notenbank versprochen hat. Das heisst, sie wird das Anleihekaufprogramm der Fed weiter zurückfahren und auf absehbare Zeit an der Tiefzinspolitik festhalten.

Trotz der Kontinuität im Kurs der US-Notenbank müssen die Anleger jedoch auch verstehen, welche Änderungen die zukünftige Geldpolitik der Fed mit sich bringen wird.

Wie allgemein bekannt, hat die US-Notenbank aggressiv auf die Finanzkrise reagiert: Der Offenmarktausschuss FOMC hat den Leitzins auf null bis 0,25 Prozent gesenkt, und zusätzlich wurde eine ganze Reihe anderer traditioneller und unkonventioneller geldpolitischer Instrumente eingesetzt, um dem eingefrorenen Kreditmarkt und dem angeschlagenen Bankensystem Liquidität und - was noch wichtiger ist - Vertrauen zu geben.

Das vielleicht bekannteste und umstrittenste Programm war das Anleihekaufprogramm (LSAP = Large Scale Asset Purchases), auch quantitative Lockerung genannt. Ziel der quantitativen Lockerung war, mit umfangreichen Käufen von US-Staatsanleihen die Zinsen über ein breites Spektrum von Laufzeiten nach unten zu drücken und die Hypothekenzinsen durch den Kauf von hypothekengesicherten Wertpapieren zu senken.

Was die Senkung der Zinsen angeht, waren die Anleihekäufe vermutlich erfolgreich, aber der Wirkung dieser geldpolitischen Massnahme sind Grenzen gesetzt, vor allem wenn die US-Notenbank das angestrebte Zinsniveau von null erreicht hat. Die Fed musste also mehr tun, und da schien "Forward Guidance" gerade das Richtige zu sein.

Das Konzept der "Forward Guidance" basiert auf der Idee, dass eine Zentralbank selbst bei einem Nullzinsniveau die Nachfrage noch ankurbeln kann, indem sie glaubwürdig versichert, dass sie an ihrer Niedrigzinspolitik länger festhalten wird, als die Konjunkturlage es eventuell erfordert.

Das könnte Anleger, Unternehmen und Verbraucher dazu anregen, mehr Kredite aufzunehmen, mehr zu investieren und mehr auszugeben - wodurch das Wachstum angeregt würde. Zudem ist es in einem Niedrigzinsumfeld schwierig, mit herkömmlichen Anlagen in Anleihen oder Sparbüchern Zinserträge zu erwirtschaften, sodass Anleger ihr freies Kapital lieber in höher rentierliche Risikoanlagen investieren - was ebenfalls die Wirtschaft ankurbeln kann, denn Anleger fühlen sich vermögender, wenn die Preise ihrer Vermögenswerte steigen.

Aus diesen Gründen führte die US-Notenbank 2008 ihre Politik der "Forward Guidance" ein, und ein Auszug aus dem Protokoll der FOMC-Sitzung vom Dezember 2008 lässt sich so übersetzen: "Der Ausschuss rechnet damit, dass der Federal-Funds-Satz aufgrund der schwachen Wirtschaftslage voraussichtlich noch eine ganze Weile extrem niedrig bleiben wird." Drei Monate später ersetzte der FOMC den Ausdruck "noch eine ganze Weile" durch "für längere Zeit" und 2011 wurde die Aussage noch spezifischer, denn es hiess, die Zinsen würden "... noch mindestens bis Mitte 2013 ..." niedrig bleiben.

Als die Wirtschaft sich mit der Zeit zu erholen begann, schienen die Märkte die Glaubwürdigkeit der vagen "Forward Guidance" in Frage zu stellen (z. B. "Warum Mitte 2013?"). Dies veranlasste die Fed, quantitative Ziele - oder Schwellenwerte - für eine mögliche Zinsanhebung einzuführen. Nach einer rigorosen internen Studie vergangener Erfahrungen mit der "Forward Guidance" gab der Offenmarktausschuss konkrete Bedingungen bekannt, unter denen die Fed eine Anhebung des Leitzinses über null in Erwägung ziehen würde: Wenn die Arbeitslosenquote unter 6,5 Prozent fällt oder die mittelfristig erwartete jährliche Inflationsrate über 3 Prozent steigt, könnte an der Zinsschraube gedreht werden.

Mittlerweile ist die Arbeitslosenquote unter 7 Prozent gesunken und die Inflation bleibt gedämpft; die Fed hat daher begonnen, sich von spezifischen Richtwerten für den Kurs der Geldpolitik abzuwenden und sich auf eine eher qualitative "Forward Guidance" zuzubewegen. Da stellt sich jedoch die Frage, wie die "Forward Guidance" in Zukunft aussehen wird. Und werden die Märkte eine "Forward Guidance" mit qualitativeren Aussagen und die Aussicht auf steigende Zinsen friedlich hinnehmen?

Insgesamt gesehen sollten die Anleger ihre Portfolioallokation mehr auf Aktien als auf Anleihen ausrichten. Die Drosselung der ultralockeren Geldpolitik ist günstig für Risikoanlagen, da sie eine nachhaltige Konjunkturerholung voraussetzt.

Wir rechnen zudem nicht damit, dass die US-Notenbank der Wirtschaft und den Märkten ihre Unterstützung zu früh entzieht, denn dadurch würde sie ihre Bemühungen der letzten fünf Jahre zunichtemachen.

Zwar werden die Zinsen voraussichtlich steigen, wenn die Fed ihre Anleihekäufe weiter zurückfährt und irgendwann gar keine Anleihen mehr kauft, aber unser Research zeigt auch, dass die Aktienmärkte steigende Zinsen ziemlich gut verkraftet haben, wenn das Zinsniveau vorher niedrig war, denn das geht in der Regel mit einer Konjunkturerholung einher. Risiken bestehen natürlich nach wie vor und für Anleger ist es wichtig, weiterhin ein ausgewogenes und breit gestreutes Portfolio zu halten.

Bisher ist es der Fed mit ihrer Strategie der quantitativen Lockerung und der "Forward Guidance" recht gut gelungen, das Wachstum zu beleben, ohne ein Inflationsproblem zu entfachen. Aber jetzt, wo die Wirtschaft sich den Zielmarken der US-Notenbank nähert, wird eine mehr qualitativ ausgerichtete Strategie ohne explizite Schwellenwerte benötigt. Es bleibt abzuwarten, ob die Fed mit ihren geldpolitischen Schritten ins Schwarze trifft.

Andrew Goldberg, Global Market Strategist – J.P. Morgan Asset Management

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