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Experten-Kolumne 06.02.2023 15:27:37

Weitere Zinsschritte der EZB sind zu erwarten

Weitere Zinsschritte der EZB sind zu erwarten

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrer Februar-Sitzung den Zinssatz für die Einlagefazilität um weitere 50 Basispunkte (BP) auf 2,5 Prozent angehoben und damit ihren Leitzins in den restriktiven Bereich verschoben.

Die EZB machte deutlich, dass sie weiterhin mit einer deutlichen Anhebung der Zinssätze rechnet, um sicherzustellen, dass die Inflation rechtzeitig zu ihrem mittelfristigen Ziel von zwei Prozent zurückkehrt. Es wird erwartet, dass die Gesamtinflation im Euroraum im Januar bei etwa 8,5 Prozent lag und die Kerninflation erneut 5,2 Prozent erreichen wird, wenn im Laufe dieses Monats endgültige Daten veröffentlicht werden (vorläufige Schätzungen lagen bei 8,5 Prozent und 5,2 Prozent). Der Markt preist einen Leitzins von 3,25 Prozent bis 3,5 Prozent ein, was angesichts der immer noch grossen Unsicherheit über die Inflationsdynamik nicht unvernünftig erscheint.

Die EZB bekräftigte, dass es bei den Leitzinsen noch einiges zu tun gibt. Der Trend bei den Lohnabschlüssen begünstigt nach wie vor die Arbeitnehmer. Die Zentralbank geht davon aus, dass das Wachstum des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer im Jahr 2025 bei 3,9 Prozent im Jahresvergleich liegen wird und damit deutlich über dem langfristigen Durchschnitt von 2,1 Prozent. Darüber hinaus wird die Finanzpolitik weitgehend als nicht zielgerichtet genug angesehen, und die marktbasierten Finanzbedingungen sind wahrscheinlich immer noch zu locker für die Ziele der EZB - der Markt rechnet bereits in der zweiten Jahreshälfte mit Zinssenkungen.

Damit sich die Inflation wieder vollständig auf das EZB-Ziel von zwei Prozent normalisiert, ist wahrscheinlich eine gewisse Abkühlung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes erforderlich. Die jüngste wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit des Euroraums ist daher nicht uneingeschränkt eine gute Nachricht für die EZB. In Bezug auf die europäische Duration bleiben wir auf kurze Sicht zurückhaltend.

Der höchste Zinssatz im Zinszyklus

EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte, dass es keine Leitlinien für die Zinssätze gibt und die EZB weiterhin von Sitzung zu Sitzung entscheidet. Dabei bestimmt die Inflationsdynamik den künftigen Leitzinspfad. Die EZB kündigte jedoch auch ihre Absicht an, die Zinssätze auf ihrer nächsten Sitzung im März um weitere 50 Basispunkte anzuheben. Dann wird sie auch den weiteren geldpolitischen Kurs im Lichte der neuen makroökonomischen Projektionen bewerten. Lagarde deutete jedoch an, dass es nach der nächsten Sitzung wahrscheinlich weitere Zinserhöhungen geben wird.

Unsere Überzeugung hinsichtlich des Tempos und des Umfangs weiterer Zinserhöhungen bleibt angesichts der Unwägbarkeiten der Inflationsentwicklung gering. Solange die neuen makroökonomischen Projektionen der EZB nichts anderes erforderlich machen, scheint eine weitere Zinserhöhung um 50 Basispunkte im März beschlossene Sache zu sein. Über die sehr nahe Zukunft hinaus bleiben die Aussichten indes unsicher. Wir sind daher mit der vom Markt derzeit eingepreisten so genannten Terminal Rate einverstanden (der höchste Zinssatz, der im Zinszyklus erwartet wird). Wir bleiben aber skeptisch, was die für die zweite Jahreshälfte eingepreisten Zinssenkungen angeht. Wir sehen das Risiko, dass die EZB länger an ihrer restriktiven Politik festhält als es der Markt derzeit erwartet.

Auswirkungen auf die Bilanz

Im Rahmen einer weiteren geldpolitischen Straffung wird die EZB-Bilanz ab Anfang März zu schrumpfen beginnen, da das Eurosystem (bestehend aus der EZB und den nationalen Zentralbanken der EU-Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist) die Kapitalzahlungen aus fällig werdenden Wertpapieren nur noch teilweise in das Portfolio des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) reinvestieren wird.

Die Bilanzschrumpung wird sich bis zum Ende des zweiten Quartals auf durchschnittlich 15 Milliarden Euro pro Monat belaufen, was im Grossen und Ganzen bedeutet, dass in diesem Zeitraum nur 50 Prozent der fällig werdenden Wertpapiere reinvestiert werden.

Während die Auswirkungen der quantitativen Straffung auf den Umfang der EZB-Bilanz in Höhe von 7,9 Billionen Euro und auf die Überschussliquidität kurzfristig moderat sein werden, werden die Hauptauswirkungen in einer beträchtlichen Zunahme der Anleiheemissionen am Markt bestehen. Wir erwarten, dass sich das Nettoangebot an europäischen Staatsanleihen in diesem Jahr mehr als verdoppeln wird.

Der Abbau der APP-Bestände wird sich proportional auf die vier APP-Portfolios verteilen. Aber innerhalb von Unternehmensanleihen-Portfolios werden Reinvestitionen auf Emittenten mit einer besseren Klimaperformance ausgerichtet sein.

Wir gehen davon aus, dass die EZB in der zweiten Jahreshälfte eine weitere Reduzierung der APP-Reinvestitionen anstreben wird. Die Reinvestitionen im Rahmen des PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) wird sie indes in vollem Umfang fortsetzen. Reinvestitionen im Rahmen des PEPP sind nach wie vor die erste Verteidigungslinie gegen die Fragmentierung, während einige EZB-Mitglieder laut Protokoll der Dezember-Sitzung einen schnelleren Abbau des APP-Portfolios oder die vollständige Einstellung der Reinvestitionen bevorzugen.

Schliesslich könnten im Einklang mit den jüngsten Überlegungen von EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel weitere Anstrengungen unternommen werden, um den Bestand an privaten und öffentlichen Beteiligungen im Laufe der Zeit "grüner" zu gestalten. Dazu könnte der Wechsel von einem flow-basierten (Raten-basierten) zu einem bestandsbasierten Ansatz für Anleiheportfolios des privaten Sektors, die Erhöhung des Anteils von Anleihen supranationaler Institutionen und Agenturen sowie eine gewisse Umschichtung des Staatsanleiheportfolios hin zu grünen Anleihen gehören.

Von Konstantin Veit

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