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09.12.2020 23:02:00
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Airbnb wagt sich auf das Börsenparkett: Was Anleger über das IPO von Airbnb wissen sollten
Der Countdown für einen der grössten Börsengänge des Jahres läuft: Am morgigen Donnerstag wird Airbnb, das Online-Portal zur Vermietung von Unterkünften, den Schritt aufs Parkett wagen. In einer Branche, die inmitten der Corona-Krise zuletzt stark gelitten hat.
• Milliardenbewertung trotz Verlusten auf Jahressicht
• Mehr Tech- als Touristikkonzern
Die Touristikbranche wurde von der Corona-Pandemie in besonderem Maßen getroffen. Die Buchungszahlen von Airlines sind eingebrochen, zahlreiche Fluggesellschaften kommen nur mit staatlicher Unterstützung durch die Krise. Auch die Hotelbranche leidet empfindlich unter Reisewarnungen und ausbleibenden Touristen, ebenso wie Reiseanbieter und Kreuzfahrtkonzerne. Inmitten dieser für den internationalen Tourismus schwierigen Zeit wagt sich ein Branchenvertreter an die Börse - und weckt bei potenziellen Anlegern Begehrlichkeiten.
Airbnb - Das Geschäftsmodell
Die Airbnb-Story ist schnell erzählt: Im Oktober 2007 vermieteten Brian Chesky und Joe Gebbia, zwei Absolventen der Kunsthochschule, Luftmatratzen in ihrer Dreizimmerwohnung in San Francisco an Messeteilnehmer, die in den Hotels der Stadt kein bezahlbares Zimmer mehr bekommen haben. Chesky und Gebbia besserten auf diesem Weg ihre Mietkasse auf, für die Gäste gab es neben einem Schlafplatz auch noch Frühstück: "Airbed and Breakfast" - Airbnb war geboren und bekam 2008 durch die Startup-Gründung einen rechtlichen Rahmen. Dieses Narrativ verbreitet das Startup selbst auf seiner Homepage, eine Gründungslegende, wie es im Startup-Segment der Vereinigten Staaten einige gibt.
Wie verdient Airbnb eigentlich Geld?
Das Geschäftsmodell wurde in den Folgejahren kontinuierlich erweitert. Anfangs waren es tatsächlich Privatvermieter, die ihre eigenen privaten Unterkünfte an Geschäftsreisende oder Urlauber zur Verfügung stellten - eine WG auf Zeit sozusagen. Inzwischen dürften jedoch kaum noch Airbnb-Mieter auf Luftmatratzen im Wohnzimmer ihrer Gastgeber schlafen: Wer heute eine Airbnb-Unterkunft sucht, hat die Wahl zwischen einzelnen Zimmern aber auch kompletten Wohnungen, Häusern und sogar Schlössern. Die Expansion erfolgte international, so dass das Startup zu einer ernsthaften Konkurrenz zu Hotel- und Ferienhausvermietern geworden ist. Rund fünfeinhalb Millionen Unterkünfte stehen weltweit zur Auswahl, nicht wenige Menschen verdienen sich ihren Lebensunterhalt mit der professionellen Vermietung nicht genutzter, freistehender Immobilien über die Plattform von Airbnb.
Die Plattform verdient daran mit, denn bei jeder erfolgreichen Buchung wird vom Vermieter eine Gebühr fällig. Auch für Gäste kann eine Gebühr fällig werden, die laut Airbnb bei den meisten "weniger als 14,2 Prozent der Zwischensumme der Buchung" entspricht.
Alternativ kann auch die gesamte Servicegebühr von der Auszahlung an den Gastgeber abgezogen werden, Gäste zahlen keine Airbnb-Servicegebühr. In der Regel belaufe sich der einbehalte Betrag dann auf 14-16 Prozent der Zwischensumme, das Modell ohne Gästegebühren sei etwa für Hotels obligatorisch, heißt es in den Geschäftsbedingungen weiter.
Regulierungen zwingen Airbnb zum Umdenken
Anders als in den Anfangstagen ist Airbnb heute nur noch in kleinen Teilen tatsächlich ein Teil der Sharing Economy, die Plattform ist stark professionalisiert worden und wird zu großen Teilen von gewerbsmäßigen Anbietern genutzt. Der Grund dafür ist in den zunehmenden Restriktionen zu sehen, denen sich Airbnb-Privatvermieter inzwischen ausgesetzt sehen. Denn in den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Regulierer auf die Plattform und deren Geschäftsmodell aufmerksam. Insbesondere in Städten mit chronischem Wohnraummangel wurde die vorübergehende Vermietung leerstehender Wohnungen und Häuser genau unter die Lupe genommen, anders als in den frühen Jahren von Airbnb müssen Vermieter je nach Standort zahlreiche Einschränkungen hinnehmen, wenn sie Wohnraum auf Zeit anbieten wollen.
Für viele Privatvermieter lohnt es sich nun kaum noch, im Rahmen der Einschränkungen zu vermieten, sie haben sich in großen Scharen von der Plattform zurückgezogen. Dabei sind die Regeln, denen sich Airbnb-Hosts ausgesetzt sehen, regional sehr unterschiedlich. Auch in Deutschland gibt es diesbezüglich keine einheitlichen Gesetze, stattdessen gibt es zahlreiche regionale Bestimmungen. Um die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt zu entschärfen, wurde in einigen Regionen Deutschlands etwa das Zweckentfremdungsgesetz erlassen, dessen Ausprägung deutschlandweit unterschiedlich ausgelegt wird. Vermieter, die sich nicht an das Gesetz halten und etwa Wohnungen länger vermieten als zulässig, müssen mit empfindlichen Bußgeldern rechnen. Für Gelegenheitsvermieter lohnt sich Airbnb dann kaum noch, was erklärt, wieso die Zahl kommerzieller Ferienhausvermieter auf der Plattform inzwischen so massiv angestiegen ist.
Corona-Krise lässt Buchungszahlen einbrechen
Neben der Regulierungswelle, die über Airbnb-Vermieter hereinbrach, hat auch die Corona-Pandemie das Geschäft zunehmend belastet. Wie andere Unternehmen aus dem Tourismussektor litten auch die US-Amerikaner massiv unter einem Einbruch der Buchungszahlen, die Belegschaft wurde um rund ein Viertel reduziert, Sparmaßnahmen ausgerufen. Auf die kurze Erholungsphase im Sommer folgte ein erneut schwächeres Herbstgeschäft, das allerdings überraschend schwarze Zahlen mit sich brachte. Dennoch machte das Unternehmen im bisherigen Jahresverlauf Verluste - 697 Millionen US-Dollar fehlten unter dem Strich zwischen Januar und September.
Die Hoffnung des Unternehmens - wie die der gesamten Tourismusbranche - liegt jetzt auf der zeitnahen Zulassung von COVID-19-Impfstoffen, damit zahlreiche Menschen ihre Reisetätigkeiten wieder aufnehmen und sich das Geschäft damit wieder deutlich erholen kann. Bislang ist dieser Zeitrahmen aber noch mehr als unklar. Hinzu kommt, dass die Langzeitfolgen der Pandemie bislang noch nicht absehbar sind. Werden die Menschen künftig wieder verstärkt Reisetätigkeiten ins Ausland vornehmen und dort auf Airbnb-Angebote zurückgreifen? Wird es in Zukunft wieder Geschäftsreisen in dem Ausmaß geben, wie sie vor der Pandemie üblich waren? Immerhin hatte sich die Gruppe der geschäftlich Reisenden mit Bedarf an kurzfristigem Wohnraum auf der Plattform vor der Krise deutlich positiv entwickelt - doch während der Pandemie wurden auch zahlreiche Geschäftsmeetings in Online-Kommunikationsportale wie Zoom verlegt - ein Trend, der möglicherweise gekommen ist, um auch nach COVID-19 zu bleiben.
Airbnb-Börsengang zur Unzeit?
Inmitten dieser Unsicherheiten auch über die möglichen Folgen der Corona-Pandemie, will das Startup nun aber die aktuell positive Anlegerstimmung nutzen und plant sein IPO - und ruft dafür durchaus ambitionierte Zahlen auf. Zwischen 44 und 50 US-Dollar sollten die Airbnb-Aktien für Erstbesitzer eigentlich kosten, letztlich wurde die Preisspanne auf 56 bis 60 US-Dollar angehoben. Damit würde das Unternehmen mit 42 Milliarden US-Dollar bewertet, vor vier Jahren hatten Kreditgeber Airbnb noch bei 31 Milliarden US-Dollar Unternehmenswert gesehen, bei der letzten Finanzierungsrunde inmitten der Corona-Krise war ein Firmenwert von rund 18 Milliarden US-Dollar ausgerufen worden, immerhin hatte das Unternehmen zuletzt Milliardenkredite aufnehmen müssen.
2,44 Milliarden US-Dollar will Airbnb mit dem Verkauf von Klasse-A-Aktien einnehmen. Diese Mehrfachklassifizierung von Aktien ist insbesondere im hochbewerteten Techsegment nicht unüblich, Anleger müssen aber die Folgen kennen: Denn mit den am Markt gehandelten Anteilsscheinen halten sie eine Stimme pro Aktie - Klasse B-Aktien, die vom Management gehalten werden, verfügen unterdessen über 20 Stimmen je Titel. Anleger dürften bezüglich der künftigen Ausrichtung des Unternehmens also kaum Mitspracherecht haben.
Anleger sollten Zahlen im Blick haben
Anleger, die dennoch einen Einstieg zum IPO erwägen, sollten die Zahlen des Unternehmens genau unter die Lupe nehmen. Denn die Einnahmen sind verglichen mit denen der Boomjahre 2018 und 2019 gesunken, dass das Unternehmen im dritten Quartal trotz Pandemie schwarze Zahlen schreiben konnte, war zu weiten Teilen der Kostendisziplin zu verdanken, die Airbnb-CEO Brian Chesky ausgerufen hatte. Insbesondere beim Thema Vertrieb und Marketing hatte der Chef rigoros den Rotstift angesetzt. Dass das Startup aber im Gesamtjahr den Break Even schafft, ist mehr als unwahrscheinlich.
Rentabilität ist aber - insbesondere bei hoch bewerteten Startups - nicht für alle Marktteilnehmer ein Entscheidungskriterium. Das Geschäftsmodell hingegen schon: Wie schnell sich die Reisebranche erholen wird, hängt vorrangig von den Fortschritten bei COVID-19-Impfstoffen ab - und davon, wie und in welchem Maße Regierungen in der Lage sind, diese ihrer Bevölkerung zur Verfügung stellen zu können. Ist Airbnb in der Lage, dessen ungeachtet neue Nutzergruppen zu erschließen und die Plattform etwa für digitale Nomaden interessant zu machen, könnte sich der Konzern aber von der gesamten Branche abkoppeln.
Warum Airbnb mehr Tech- als Touristikkonzern ist
Mit der angestrebten Bewertung liegt der Börsenaspirant deutlich über den Prognosen vieler Experten. Anleger, die im Rahmen der geplanten Preisspanne bei Airbnb-Aktien zuschlagen, wetten nicht nur auf die Zukunft der Touristikbranche an sich, denn Airbnb unterscheidet sich von vielen klassischen Touristikkonzernen.
Das Unternehmen stellt nur die Vermietungsplattform zur Verfügung, ist selbst aber nicht im Besitz von Immobilien und tritt daher auch nicht als Vermieter auf. Vor diesem Hintergrund ist Airbnb als Techkonzern zu werten, als digitaler Marktplatz kann das Unternehmen Buchungsschwankungen besser verkraften, als die tatsächlichen Vermieter, denen ja auch dann Kosten entstehen, wenn ihr Objekt nicht gebucht ist. Hinzu kommt: Die Buchungspalette ist breit. Wer auf der Plattform ein Buchungsziel sucht, findet dies gleichermaßen in großen, touristisch erschlossenen Metropolen, wie auch in ländlichen Gegenden, die insbesondere in den vergangenen Monaten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie massive Buchungsnachfrage erfahren haben.
Und auch Geschäftsreisende nimmt Airbnb nun wieder verstärkt ins Visier - wenn auch in anderer Form als bislang. Möglicherweise wird die Zahl der Geschäftsreisen etwa zu Meetings oder Kundenbesuchen nicht mehr an die Vor-Corona-Zahlen heranreichen, doch der Trend zum Remote-Arbeiten hat für Airbnb ein neues Geschäftsfeld eröffnet. Remote-Arbeiten muss nicht zwangsläufig im klassischen Homeoffice erfolgen, sondern kann durchaus auch in einem mobilen Büro durchgeführt werden. Wer für seinen Job einen Laptop und eine verlässliche Internetanbindung benötigt, findet diese Voraussetzungen ebenso in der eigenen Wohnung, wie auch in zahlreichen anderen Teilen der Welt. Städtetrips mit dem Job zu verbinden, könnte vor diesem Hintergrund neue Möglichkeiten für Airbnb eröffnen. Zumal das Unternehmen mit der Vielzahl seiner Angebote auf der Plattform in der Lage ist, für nahezu jedes Bedürfnis das passende Objekt zur Verfügung zu stellen.
Diesbezüglich will das Startup auch massiv in die technischen Voraussetzungen der Plattform investieren: "Unser zukünftiger Erfolg wird auch von unserer Fähigkeit abhängen, uns an neue Technologien wie Tokenisierung, Kryptowährungen, neue Authentifizierungstechnologien wie Biometrie, Blockchain-Technologien, künstliche Intelligenz, virtuelle und erweiterte Realität sowie Cloud-Technologien anzupassen", heißt es im IPO-Prospekt. "Infolgedessen beabsichtigen wir, weiterhin erhebliche Ressourcen für die Wartung, Entwicklung und Verbesserung unserer Technologien und Plattformen aufzuwenden."
Ein Teil des Geldes dafür soll nun wohl aus dem Börsengang kommen.
Redaktion finanzen.ch
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