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Bilanzskandal 20.07.2020 17:50:05

Skandal wird verfilmt: Kanzleramt setzte sich anscheinend für Wirecard ein - Untersuchungsausschuss angekündigt - Aktie bricht ein

Skandal wird verfilmt: Kanzleramt setzte sich anscheinend für Wirecard ein - Untersuchungsausschuss angekündigt - Aktie bricht ein

Das Kanzleramt hat sich Anfang September 2019 für den mittlerweile insolventen Skandalkonzern Wirecard und seinen damals geplanten Markteintritt in China eingesetzt.

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Dies habe das Kanzleramt auf Nachfragen des Spiegel bestätigt, berichtet das Magazin. Demnach habe Bundeskanzlerin Angela Merkel am 3. September 2019 mit dem früheren Wirtschaftsminister- und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg über die Pläne Wirecards gesprochen, auch auf dem chinesischen Markt Fuss zu fassen. Guttenberg habe Wirecard bei der Expansion nach China mit seiner Firma Spitzberg Partners als "Market Entry Advisor" beraten.

Am gleichen Tag, an dem Guttenberg persönlich bei der Kanzlerin für Wirecard geworben habe, habe er auch eine E-Mail an Lars-Hendrik Röller, den Leiter der Abteilung für Wirtschafts-, Finanz- und Energiepolitik des Kanzleramtes und den Persönlichen Beauftragten Merkels für die G7- und G20-Gipfel geschickt. In dieser habe Guttenberg den Merkel-Vertrauten über den "beabsichtigten Markteintritt von Wirecard in China unter Beifügung eines Kurzsachstandes" unterrichtet, wie eine Regierungssprecherin dem Spiegel bestätigt habe.

Guttenberg habe Röller demnach auch um "Flankierung im Rahmen der China-Reise" Merkels am 6. und 7. September 2019 gebeten. Nach der Rückkehr der Bundeskanzlerin und ihrer Delegation aus China habe Röller Guttenberg am 8. September per Mail geantwortet, "dass das Thema bei dem Besuch in China zur Sprache gekommen und weitere Flankierung zugesagt" sei.

Knapp zwei Monate später, am 5. November 2019, habe der DAX-Konzern Wirecard bekannt gegeben, dass er Anteile an der chinesischen Firma AllScore Payment Services erwerben werde.

Das Unternehmen aus Peking sei skandalumwittert, allein 2020 habe es in China eine Rekordstrafe wegen Verflechtungen in die Glücksspielbranche zahlen müssen, berichtet das Magazin weiter.

Finanzausschuss-Sitzung am 29. Juli - Scholz wohl dabei

Zum mutmasslichen Milliarden-Betrug beim Dax -Konzern Wirecard und der Rolle der Politik plant der Finanzausschuss des Bundestags für den 29. Juli eine Sondersitzung. Das beschlossen die Obleute der Bundestagsfraktionen am Montag. "Die parlamentarische Aufklärung des Wirecard-Skandals auf die lange Bank zu schieben ist keine Option", sagte Grünen-Obfrau Lisa Paus der Deutschen Presse-Agentur. Der Bundestagspräsident müsse die Sondersitzung noch genehmigen. Neben Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sollten auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Vertreter der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung geladen werden.

Aus Regierungskreisen hiess es, Scholz habe schon vergangene Woche angeboten, an einer Sondersitzung in der Sommerpause teilzunehmen. Er werde also voraussichtlich dabei sein.

Es geht unter anderem darum, ob es Fehler bei der Finanzaufsicht gab, ob Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) Verantwortung trägt und ob die Bundesregierung - das Kanzleramt eingeschlossen - womöglich Wirecard unterstützten, obwohl der Verdacht von Unregelmässigkeiten bereits im Raum stand. Die Opposition droht mit einem Untersuchungsausschuss, falls die Bundesregierung aus ihrer Sicht nicht ausreichend zur Aufklärung beiträgt. Der inzwischen insolvente Zahlungsabwickler Wirecard hatte im Juni mutmassliche Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt.

Wirecard-Manager Marsalek offenbar nach Weissrussland geflüchtet

Die Spur des untergetauchten ehemaligen Wirecard-Vorstands Jan Marsalek führt nach Weissrussland. Nach gemeinsamen Recherchen des Spiegel, der Investigativplattformen Bellingcat und The Insider sowie des US-amerikanischen McClatchy Report ist im russischen Ein- und Ausreiseregister vermerkt, dass Marsalek am 19. Juni um kurz nach Mitternacht über den Flughafen der Stadt Minsk nach Weissrussland eingereist ist. Die entsprechende russische Datenbank enthält auch Einreisen nach Weissrussland, da es zwischen beiden Staaten keine Grenzkontrollen gibt.

Bislang fehlte von Marsalek, der im Rahmen des Wirecard-Zusammenbruchs am 18. Juni freigestellt und wenige Tage später entlassen worden war, jede Spur. Zwischenzeitliche Informationen, er halte sich auf den Philippinen auf, wurden von den dortigen Behörden dementiert. Entsprechende Ein- und Ausreisedaten seien gefälscht worden.

Marsalek benutzte für seine Einreise einen der Reisepässe, den er bereits zuvor bei Reisen an andere Ziele verwendet hatte. Die Daten des Dokuments sind dem Spiegel und seinen Kooperationspartner bekannt. Eine Wiederausreise ist in den Datenbanken bislang nicht verzeichnet, was darauf hindeutet, dass sich Marsalek noch immer in Weissrussland oder in Russland befindet.

Marsalek wird wegen des Wirecard-Skandals mit einem internationalen Haftbefehl gesucht. Die Münchner Staatsanwaltschaft München wirft ihm verschiedene Delikte im Zusammenhang mit dem Bilanzskandal des Unternehmens vor. Es geht unter anderem um 1,9 Milliarden Euro, die auf den Konten der Wirecard AG fehlen.

BaFin-Chef weist Vorwurf von Versäumnissen im Wirecard-Skandal zurück

Der Präsident der Finanzaufsicht BaFin, Felix Hufeld, weist den Vorwurf schwerer Versäumnisse im Skandal um den Zahlungsdienstleister Wirecard zurück: "Wir erfüllen genau die Aufgaben, die uns der Gesetzgeber vorgibt - alles andere ist in einer Demokratie nicht zulässig", sagte Hufeld gegenüber Welt am Sonntag. "Wir können nicht einfach machen, was wir wollen. Menschen, die behaupten, dass so ein Betrug mit einer anderen Aufsicht nicht möglich gewesen wäre, streuen den Bürgern Sand in die Augen."

Hufeld sieht vor allem den Gesetzgeber in der Pflicht, bei der Regulierung von Techunternehmen nachzubessern. "Es entsprach dem Geist der europäischen Regulierung, insbesondere der PSD II, dass man Technologieunternehmen und Innovation fördert. Es gibt da aktuell zu viele Grauzonen", meint Hufeld. So wurden nur kleine Teile der Wirecard von der BaFin direkt beaufsichtigt. "Der aufsichtliche Werkzeugkasten muss hier nachgeschärft werden", sagte Hufeld.

Die Forderung einiger Parlamentarier, die BaFin nach dem Vorbild der US-Börsenaufsicht SEC zu reformieren, sieht Hufeld kritisch: "Natürlich können wir von dem SEC-Modell etwas lernen. Aber auch in den USA kam es zu Betrugsfällen. Zudem haben die Vereinigten Staaten ein anderes Rechtssystem, das nicht so einfach auf Europa übertragbar ist."

Wirecard-Skandal wird verfilmt

Die Pleite des Dax-Konzerns Wirecard soll verfilmt werden. Dies kündigte Produzent Nico Hofmann in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung an. "Der Fall Wirecard liefert nicht nur die Vorlage zu einem einzigartigen Wirtschaftskrimi, er ist auch ein Drama unter Königen; zwischen gerissener Kriminalität und Technologiegläubigkeit", sagt Nico Hofmann, Chef der Filmgesellschaft Ufa. Die Fallhöhe des Stoffs sei immens: "Es gibt kaum eine Facette unseres wirtschaftlichen Zusammenlebens, das nicht berührt wäre: gravierende Fehler bei der Aufsicht, politische Blauäugigkeit, um den Technologie-Standort Deutschland brillieren zu lassen, geprellte Anleger und Machtphantasien, die den internationalen Börsenmarkt wie einen Bürgerkrieg sehen." Genau darum solle es in der "90-minütigen dokufiktionalen Aufarbeitung" gehen, sagt Hofmann, der gegenwärtig auch an Filmen über die Magier Siegfried & Roy sowie den Porsche-Clan arbeitet.

Die Wirecard-Aktie knickte am Montag im XETRA-Handel letztlich um 21,57 Prozent auf 1,55 Euro ein.

HAMBURG (Dow Jones) / (awp international)

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Bildquelle: Wirecard,nitpicker/Shutterstock

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