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Notrecht im Fokus 29.03.2023 23:38:00

Warum die Bankenkrise einige unschöne Wahrheiten über die Schweiz offenbart

Warum die Bankenkrise einige unschöne Wahrheiten über die Schweiz offenbart

Die Zwangshochzeit zwischen der kriselnden Credit Suisse und der Rivalin UBS ist beschlossene Sache. Am Ende war es eine Entscheidung für die Sicherung der Finanzmarktstabilität, die den Ausschlag gab. Dennoch bleibt der Ruf der Schweiz als sicherer Hafen für Anleihe- und Aktienbesitzer angeknackst.

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• Credit Suisse und UBS vor Zwangsfusion
• Bundesrat setzt Notrecht ein, um Notfusion einzuleiten
• Aktionärsrechte stark beschnitten und Wettbewerbsbedenken hintangestellt

Die Nachricht, die unter Druck geratene Credit Suisse werde von ihrer Schweizer Rivalin UBS geschluckt, schlug am Markt ein wie ein Paukenschlag. Auch wenn viele Aktionäre gehofft hatten, dass die Grossbank vielleicht doch noch gerettet werden könnte, führten letztlich der grosse Vertrauensverlust und die zahlreichen Geldabflüsse dazu, dass eine möglichst schnelle Lösung gefunden werden musste - eine Notfusion.

Schweizer Behörden greifen ein

Möglich wurde dieser aussergewöhnliche Schritt durch das Notrecht, welches der Bundesrat ergriff, um die Elefantenhochzeit gemeinsam mit der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA und der Schweizerischen Nationalbank einzufädeln. Hier beriefen sich die drei Institutionen in ihren jeweiligen Stellungnahmen auf die "Sicherung der Finanzmarktstabilität" und den "Schutz der Schweizer Volkswirtschaft", wie es bei der SNB hiess.

Und so greift die SNB bei der Übernahme denn auch mit einer Liquiditätshilfe von bis zu 100 Milliarden Franken beiden Banken unter die Arme. Der Bund spricht der UBS ausserdem eine Garantie in Höhe von neun Milliarden Franken zur Absicherung von im Zuge der Übernahme entstehenden potentiellen Verlusten aus. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Übernahme nicht an mangelnder Liquidität scheitert.

Credit Suisse-CoCo-Bonds werden wertlos

Im Zuge der Übernahme, so hatte die FINMA verkündet, würden die risikoreichsten Credit Suisse-Anleihen, die sogenannten Additional-Tier-1-Anleihen, die zusammen einen Wert von mehr als 16 Milliarden Franken umfassten, ihren Wert vollständig verlieren. Die Ankündigung hatte zu grosser Unsicherheit an dem Markt für Contigent Convertible Bonds, kurz auch CoCo-Bonds, geführt. Bei den AT1-Anleihen handelt es sich laut der Nachrichtenagentur awp um ein beliebtes Anlageprodukt, welches nach der Finanzkrise 2008 lanciert wurde. So soll mithilfe der CoCo-Bonds das Bankenrisiko vom Steuerzahler auf die Anleihebesitzer verlagert werden.

Die Anleihen lockten mit einer attraktiven Rendite, was insbesondere vor der Zinswende zahlreiche Anleger auf den Anleihemarkt zog. Für Anleihe-Inhaber ist der Komplettverlust natürlich mehr als schmerzlich, jedoch ist es nicht der erste Fall, dass das Worst-Case-Szenario eintritt. Schon im Jahr 2017 verloren AT1-Anleihebesitzer der spanischen Banco Popular Español alles, nachdem das Geldhaus durch eine Fusion mit der Banco Santander gerettet werden musste.

Neben dieser drastischen Entscheidung der Schweizer Behörden sorgte ausserdem die Tatsache für Unmut, dass noch zwei weitere wichtige Aspekte der Offenen Märkte durch die Schweizer Notverordnung ausser Kraft gesetzt wurden, nämlich das Wettbewerbsgesetz sowie die Aktionärsrechte, wie Bloomberg argumentiert.

Rechtstaatlichkeit ausser Kraft gesetzt?

Deutliche Worte fand hier der Rechtsprofessor Peter V. Kunz gegenüber der Nachrichtenagentur: "Ausländische Investoren fragen sich vielleicht, ob die Schweiz eine Bananenrepublik ist, wo die Rechtsstaatlichkeit nicht gilt." Seiner Einschätzung nach hätten die Schweizer Behörden hier "auf sehr dünnem Eis" gehandelt. So sei das Land an sich zwar "nicht gefährdet, aber es gibt das Risiko von Klagen". Auch das Übergehen der Aktionäre sieht der Experte kritisch, wie er gegenüber "Blick" aussagte: "Dass die CS-Aktionäre zum Deal gar nicht mehr gefragt werden, ist eine völlig aussergesetzliche Regelung." Er ist sich daher sicher: "Klagen werden kommen." Zwar kann der Deal nicht mehr angefochten werden, Kunz kann sich jedoch vorstellen, dass sich der Bund mit Staatshaftungsklagen wird herumschlagen müssen, wie ihn die Neue Zürcher Zeitung widergibt. Schliesslich ist für Aktionäre der finanziell erlittene Schaden leicht zu berechnen. Ob solche Klagen Recht bekommen werden, wird davon abhängen, ob der Bundesrat widerrechtlich gehandelt hat.

Bundesrat beruft sich auf Notrecht

Tatsächlich hatte sich der Schweizer Bundesrat in seiner Stellungnahme zur Fusion von Credit Suisse und UBS auf sein Recht Notverordnungen zu verabschieden bezogen, "um existierenden oder unmittelbar bevorstehenden Bedrohungen, die zur Störung der öffentlichen Ordnung oder der internen oder externen Sicherheit führen könnten, entgegenzuwirken" und damit Abstimmrechte für Aktionäre im Falle von Fusionen ausser Kraft gesetzt. Darüber hinaus hatte die FINMA-Vorsitzende Marlene Amstad in der Pressekonferenz zur Fusion auf Nachfrage nach Wettbewerbsbedenken deutlich gemacht, dass Wettbewerbssorgen hinter Sorgen um die Finanzstabilität anstehen würden: "Das regulatorische Gesetz gibt uns die Macht, die Wettbewerbssituation im Interesse der Finanzstabilität zu überschreiben und das haben wir hier genutzt."

Insgesamt dürften diese Entscheidungen der Schweizer Behörden dazu führen, dass es sich ausländische Investoren künftig zweimal überlegen, ob sie ihr Geld in dem sonst als "sicherer Hafen" bekannten Land parken sollen, sind sich unterschiedliche Finanzprofis einig.

Finanzexperten nicht begeistert - Klagen voraus?

So urteilt Universitätsprofessor Kern Alexander gegenüber Bloomberg, dass die Behörden "panisch" reagiert und mit ihrem Handeln "die Rechtsstaatlichkeit und die Schweiz untergraben" hätten. Jacob Kirkegaard vom Peterson Institute for International Economics ist sich unterdessen sicher, dass insbesondere der Wegfall der CoCo-Bonds Anlass für zahlreiche Klagen geben werde: "Viele Klagen werden hierdurch kommen, was das erratische und egoistische Verhalten der Schweizer Behörden in dieser Saga herausstellen wird."

Die ersten Anwaltskanzleien haben unterdessen schon die ersten Schritten unternommen. So gab Pallas Partners bekannt, derzeit ein Team zusammenzustellen, um rechtliche Schritte zu prüfen: "Wir prüfen derzeit eine kohärente, multijurisdiktionale Strategie, die von einer Gruppe internationaler Investoren in die AT1-Anleihen verfolgt werden könnte, um die Verluste auszugleichen", so die Kanzlei gegenüber awp. Auch die nach eigenen Angaben grösste Wirtschaftskanzlei der Welt, Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan, kündigte bereits Gleiches an.

Für den Zürcher Staatsrechtprofessor Andreas Kley ist insbesondere die Tatsache unbefriedigend, dass der Bundesrat erneut vom Notrecht Gebrauch gemacht hätte. Dies würde viel zu oft geschehen, seit die UBS 2008 gerettet werden musste: "man handelt kopflos oder zumindest überstürzt, und alle tun so, als sei schlicht keine andere Lösung möglich", so der Experte zur NZZ. Die Notrechtskompetenzen des Bundesrats wurden seit 1999 kontinuierlich erweitert. So darf die Exekutive unter Berufung auf den Notrechtsartikel mittlerweile nicht mehr nur existierende Gesetze ergänzen oder Lücken füllen, sie darf bestehende Gesetze auch abändern oder übersteuern.

Ob sich der Bundesrat mit der deutlichen Beschneidung der Aktionärsrechte in diesem Fall jedoch zu weit aus dem Fenster gelehnt hat, wird sich zeigen. In jedem Fall dürfte sein Handeln dafür sorgen, dass in- und ausländische Investoren in der Schweiz künftig vorsichtiger agieren werden.

Redaktion finanzen.ch

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Bildquelle: Simon Zenger / Shutterstock.com,Pincasso / Shutterstock.com

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