Expertenkolumne |
29.08.2023 09:06:28
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Vorsorge für Patchworkfamilien: Sind Versicherungs- oder Banklösungen besser?
Die finanzielle Absicherung der Familie stellt bei Erwerbsunfähigkeit oder im Todesfall eine grosse Herausforderung dar, vor allem für Patchworkfamilien. Versicherungslösungen bieten hinsichtlich der Begünstigung bestimmter Personen mehr Freiheiten als Banklösungen.
Begünstigte selbst bestimmen
Im Erbfall bietet eine Versicherungslösung im Vergleich zu einer Banklösung zahlreiche Privilegien. Bei einer Banklösung fällt das Vorsorgekapital in die Erbmasse und wird mit allfälligen Schulden verrechnet. Bei Versicherungslösungen der freien Vorsorge 3b können die Begünstigten hingegen frei festgelegt werden. Lediglich bei rückkaufsfähigen gemischten Vorsorgelösungen können die Hinterbliebenen für den (anteilsmässig oft relativ kleinen) Rückkaufswert eine Herabsetzungsklage bei Pflichtteilsverletzungen gegen die Begünstigten anstrengen. Bei reinen Todesfallrisikoversicherungen ohne Rückkaufswert ist dies jedoch nicht möglich, und die Definition der Begünstigung ist vollumfänglich frei.
Auch bei der gebunden Vorsorge 3a gibt es im Erbfall zwischen der Versicherungs- und Banklösung Unterschiede. Während die Banklösung auf dem Erbrecht basiert, gibt es bei der Versicherungslösung eine angepasste Begünstigungsfolge. An erster Stelle steht der überlebende Ehegatte oder die überlebende eingetragene Partnerin. Diese Personen erhalten immer 100 Prozent des Vorsorgekapitals. Ohne Ehegatten bzw. eingetragene Partnerin geht die Begünstigung in der dargestellten Reihenfolge an die folgenden Erben über: die direkten Nachkommen oder natürliche Personen, für deren Unterhalt der Verstorbene massgeblich aufkam, oder Personen, die mit dem Verstorbenen/der Verstorbenen in den letzten fünf Jahren vor seinem/ihrem Tod ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft geführt haben, oder Personen, die für den Unterhalt eines oder mehrerer gemeinsamer Kinder aufkommen müssen.
Erbrecht und Steuerrecht beachten
Sollte es aufgrund der Lebenssituationen mehrere Erben - wie vorgängig beschrieben - geben, darf der Vorsorgenehmer eine oder mehrere begünstigte Personen aus dieser Gruppe bestimmen. Das Erbe muss in diesem Fall gesamthaft 100 Prozent ergeben. Bei Fehlen dieser Personen geht das Vorsorgekapital zuerst an die Eltern, dann an die Geschwister, und zuletzt an die übrigen Erben (gemäss Testament) über, wobei auch hier eine andere Person direkt eingesetzt werden kann.
Bei einem allfälligen Konkurs bietet eine Versicherungspolice ebenfalls Vorteile: Vorsorgegelder bei einer Bank fallen in die Schuldmasse, Versicherungsgelder unterstehen dem Konkursprivileg und werden geschützt, sofern der überlebende Ehegatte, die eingetragene Partnerin oder die Kinder begünstigt sind. Es besteht unter gewissen Voraussetzungen sogar ein Eintrittsrecht der Begünstigten, damit diese anstelle des Vorsorgenehmers die Versicherungsdeckungen zu ihrem Schutz weiterführen können.
Zuletzt ist eine Versicherungslösungen im Vergleich zu einer Banklösung auch steuerlich privilegiert, da sogar die Überschüsse im Rahmen einer - in der Regel nicht steuerlich privilegierten - freien 3b-Vorsorgelösung steuerfrei sind, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden.
Vor dem Steueramt sind Kinder und Stiefkinder nicht gleich
Um den finanziellen Bedarf des überlebenden Partners oder der überlebenden Partnerin und der Kinder und Stiefkinder abzusichern, ist zusätzlich oft eine Todesfallrisikoversicherung sinnvoll. Dies wenn eine Person nach einer Scheidung z.B. mit einer neuen Partnerin bzw. einem neuen Partner im Konkubinat lebt und es Kinder aus erster Ehe gibt, die das ganze Erbe (und mit einem Testament oder einem Erbvertrag mindestens die Hälfte davon) erhalten.
Das Todesfallkapital einer Versicherungslösung fällt - wie bereits erwähnt - nicht in die Erbmasse und stellt somit den überlebenden Konkubinatspartner besser. Jedoch kann ein Todesfallkapital auch bei «traditionellen» Familien mit zwei verheirateten Elternteilen und einem oder mehreren leiblichen Kindern sinnvoll sein, da im Todesfall - z.B. bei grossen Investitionen in Firmenbeteiligungen oder Liegenschaften - die Kinder ihren Anteil des Erbes erhalten müssen und dieses Kapital nicht liquide zur Verfügung steht. Dort kann ein Todesfallkapital dem überlebenden Ehegatten helfen, den Kindern ihren Anteil auszuzahlen.
Ein durchdachtes Testament oder ein geeigneter Erbvertrag ist für Patchworkfamilien auch deshalb unerlässlich, weil es in der steuerlichen Behandlung von Ehe- und Konkubinatspartnern sowie von leiblichen Kindern und Stiefkindern Unterschiede gibt. Leibliche Kinder sind in fast allen Kantonen von der Erbschaftssteuer ausgenommen. Stiefkinder müssen jedoch in verschiedenen Kantonen, z.B. in Zürich, Glarus, Luzern und Basel-Stadt, eine Erbschaftssteuer entrichten.
Testament aufsetzen und Absicherungsbedarf abklären
Patchworkfamilien sollten auch daran denken, dass Gelder aus der beruflichen Vorsorge nicht dem Erbrecht unterliegen. Das heisst, die Begünstigung im Testament allein reicht nicht aus, damit Konkubinatspartner eine Witwen- oder Witwerrente erhalten. Die Partnerschaft muss der Pensionskasse frühzeitig schriftlich mitgeteilt werden.
Was ist nun besser: ein Bank- oder ein Versicherungsprodukt? Eine gute Lösung ist oft eine Kombination von beiden Produkten. Für Patchworkfamilien ist eine Versicherungslösung mit Risikoschutz zu empfehlen. Eine Banklösung kann jedoch bei einem kurzen Sparhorizont von weniger als 10 bis 15 Jahren oder bei unregelmässigem Einkommen sinnvoll sein. Aber auch eine Versicherungslösung bietet Erwerbstätigen mit BVG-Anschluss, die den maximalen Freibetrag von aktuell 7'056 Franken pro Jahr nicht ausschöpfen, die Möglichkeit, am Jahresende noch eine Zuzahlung zu machen. Somit kann man sich auch bei Versicherungslösungen eine gewisse Flexibilität bewahren.
Stephan Wirz, Mitglied der Geschäftsleitung der Maklerzentrum Schweiz AG
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