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Expertenkolumne 07.07.2025 09:44:57

Das Gesetz des Stärkeren

Das Gesetz des Stärkeren

Während wir diese Zeilen schreiben, nähert sich der US-Markt erneut seinem historischen Höchststand, der im Februar 2025 erreicht wurde. Seit Jahresbeginn konnten die meisten Anlageklassen in ihrer jeweiligen Landeswährung positive Renditen erzielen.

Ist die Realität der Finanzmärkte von der Risikowahrnehmung der Anleger losgelöst? Investoren äussern Zweifel am Aufwärtstrend der Aktienmärkte. Währenddessen sind die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen zunehmend von Unsicherheiten geprägt. Diese Diskrepanz lässt sich erklären: Unsicherheit löst negative Emotionen aus und kann die Wahrnehmung der Anleger verzerren. Die Märkte hingegen spiegeln das gebündelte Handeln von Millionen Investoren wider und gelten dadurch oft als verlässlicher.

Seit Jahresbeginn erleben wir eine besonders ausgeprägte Form dieser Divergenz. Der gesellschaftliche Zusammenhalt gerät ins Wanken und es scheint, als würde sich eine Art "Gesetz des Stärkeren" durchsetzen. Die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung befindet sich im Umbruch, wodurch Prognosen - unabhängig vom Zeithorizont - erschwert werden. Welche rationalen Konsequenzen ergeben sich daraus für die Finanzmärkte? Und wie lassen sich Portfolios so ausrichten, dass Risiken bewusst und kontrolliert eingegangen werden können?

Wer wird sich wirtschaftlich als der Stärkste behaupten?

Letztlich werden die wirtschaftlichen Perspektiven massgeblich durch die Entscheidungen der US-Behörden bestimmt. In unserem Basisszenario erwarten wir eine globale wirtschaftliche Abschwächung, ausgelöst durch eine deutliche Erhöhung der effektiven US-Zölle - auf über 10 Prozent.

Auch die Vereinigten Staaten werden dies nicht unbeschadet überstehen: Das Wirtschaftswachstum könnte auf unter 2 Prozent fallen. Zwar sollte eine Rezession vermieden werden können. Doch das Risiko könnte steigen, falls weitere negative Schocks, wie anhaltende militärische Konflikte, eintreten. Die Auswirkungen auf den Welthandel könnten zudem vorübergehend zu einem Anstieg des Inflationsdrucks führen. Dadurch wird die Aufgabe der US-Notenbank umso anspruchsvoller, da das Umfeld zunehmend stagflationär geprägt ist. Wir rechnen daher mit einer ersten Zinssenkung im Dezember, gefolgt von zwei bis drei weiteren Schritten Anfang 2026. Die fiskalische Unterstützung bleibt dagegen eher marginal und ist weit davon entfernt, als "big" oder "beautiful" bezeichnet zu werden. Dennoch präsentiert sich der US-Privatsektor weiterhin robust mit nahezu rekordverdächtigen Gewinnmargen, keiner übermässigen Verschuldung und keinen grösseren Finanzierungsproblemen.

Die US-Handelspolitik stellt in Europa eine erhebliche Herausforderung dar und dürfte die wirtschaftliche Aktivität weiterhin belasten, indem sie insbesondere Investitionsentscheidungen von Unternehmen verzögert. Die Inflation im Euroraum ist inzwischen unter Kontrolle und das Lohnwachstum hat sich deutlich verlangsamt. Dadurch hat die Europäische Zentralbank (EZB) Spielraum, die Geldpolitik zu lockern und so die wirtschaftliche Abschwächung abzufedern. Der haushaltspolitische Kurswechsel in Deutschland markiert einen wichtigen Wendepunkt für Europa. Die schrittweise Umsetzung von Investitionsplänen in den Bereichen Verteidigung und Infrastruktur dürfte zudem die negativen Auswirkungen der Zölle zumindest teilweise kompensieren.

Die chinesischen Behörden setzen weiterhin antizyklische Massnahmen ein, um das Wachstum zu stabilisieren. Wir gehen davon aus, dass das Wirtschaftswachstum knapp unter das für 2025 gesetzte Ziel von 5 Prozent zurückgehen wird.

Wirtschaftliche Führungsstärke bleibt ein zentrales Element der laufenden globalen Neuordnung. Anwendungen im Bereich der künstlichen Intelligenz dürften sich in den kommenden Monaten weiter ausbreiten und so die Effizienz und Produktivität steigern. Der Wettstreit um die wirtschaftliche Vorherrschaft zwischen den USA und China ist mittelfristig in vollem Gange.

Welche Allokation ist für die zweite Jahreshälfte zu bevorzugen?

Aktien: Auf der Suche nach Wachstum in einer antriebslosen Welt

Im aktuellen Umfeld verfolgen wir eine neutrale, breit diversifizierte Aktienstrategie. Wir vermeiden regionale Schwerpunkte und streuen stattdessen über verschiedene Sektoren und Anlagestile. Besonders im Fokus stehen dabei Sektoren und Unternehmen mit starkem Gewinnwachstum. Dazu zählen beispielsweise der Technologiesektor sowie Bereiche, die von staatlichen Investitionen profitieren, etwa Infrastruktur, Industrie und Verteidigung in Europa. Da es aktuell keine klaren Impulse für eine breite Markterholung gibt, bleiben wir bei einem ausgewogenen Ansatz.

US-Aktien erscheinen uns derzeit angemessen bewertet. Die Märkte preisen ein günstiges Szenario in Bezug auf Handels- und Fiskalpolitik ein. Dies begrenzt jedoch das Aufwärtspotenzial und erhöht das Enttäuschungsrisiko. Während die aktuellen Konsensschätzungen von einem Gewinnwachstum von 9-10 Prozent ausgehen, sprechen die Fundamentaldaten, wie Auftragseingänge und BIP-Wachstum, eher für einen Wert um 5 Prozent. Vor diesem Hintergrund bleiben wir selektiv und bevorzugen Technologiewerte, die von strukturellem Wachstum im Bereich der künstlichen Intelligenz profitieren. Trotz politischer Unsicherheiten haben sich US-Unternehmen als widerstandsfähig erwiesen. Vor dem Liberation Day lag das Gewinnwachstum bei 12 Prozent und auch der Ausblick bleibt über den Konsenserwartungen. Allerdings könnte das Marktumfeld bei anhaltend schwachem Wachstum und hohen Zinsen dem der Jahre 2023-2024 ähneln, mit einer übermässigen Konzentration der Performance auf wenige Aktien.

Die strukturelle Untergewichtung globaler Portfolios ausserhalb der USA in Verbindung mit einer allmählichen Abschwächung des US-Dollars macht internationale Märkte attraktiv. Entgegen der weit verbreiteten Annahme, die Umschichtung in internationale Aktien sei bereits weitgehend erfolgt, zeigen die Daten, dass dieser Prozess tatsächlich erst am Anfang steht.

Die Eurozone befindet sich an einem Scheideweg: Einerseits sind dringend höhere Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur erforderlich, andererseits muss auf den Druck durch US-Zölle reagiert werden. Trotz der handelspolitischen Spannungen profitieren europäische Unternehmen von aktiveren fiskalischen Massnahmen und attraktiveren Bewertungen, was zu ihrer jüngsten Performance beigetragen hat. Nach der jüngsten Erholung entsprechen die Bewertungen einiger Binnensektoren wie Banken und Versorger ihren historischen Durchschnittswerten. Eine Aufwertung des Euro könnte sich jedoch belastend auf die Unternehmensgewinne auswirken.

In den Schwellenländern ist die Entwicklung des US-Dollars von entscheidender Bedeutung. Die Bewertungen wirken attraktiv, mit einem erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12, verglichen mit 19 in den entwickelten Märkten. Zudem ist die Positionierung der Investoren - insbesondere in China - weiterhin niedrig. Die Entspannung der Handelsunsicherheiten zwischen den USA und China sowie Chinas erneute Bereitschaft, die Privatwirtschaft zu unterstützen, sind positive Aspekte, die weiteres Konjunkturpotenzial bieten. Allerdings bleibt die Binnenkonjunktur in China seit einiger Zeit verhalten und die Anleger agieren insgesamt vorsichtig. Jede Verbesserung des Konsums wäre daher eine positive Überraschung. Wir bleiben für chinesische Technologiewerte optimistisch und sehen die jüngste Schwäche als Chance, das Engagement zu erhöhen. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, dass sich künftig mehr Marktteilnehmer am chinesischen Markt engagieren.

Anleihen: Defensive Ausrichtung mit selektiven Ertragschancen

Wir halten im Euroraum an einer langen Duration fest und bleiben bei US-Staatsanleihen neutral positioniert. In einem diversifizierten Portfolio bietet Duration insbesondere in einem Umfeld mit nachlassender Konjunktur und moderater Inflation weiterhin einen effektiven Schutz. In Europa sehen wir die EZB am Ende ihres Zinssenkungszyklus angekommen, auch wenn bis Jahresende noch zwei weitere Zinsschritte erwartet werden. Diese Entwicklung - zusammen mit einem weiterhin verhaltenen makroökonomischen Umfeld und gut verankerten Inflationserwartungen - stützt unseren optimistischen Ausblick für europäische Staatsanleihen.

In den Vereinigten Staaten bleiben wir bei unserer neutralen Haltung gegenüber Staatsanleihen und warten auf einen attraktiveren Einstiegszeitpunkt. Für die zweite Jahreshälfte 2025 erwarten wir einen leichten Rückgang der Renditen, bedingt durch eine allmähliche Abschwächung der wirtschaftlichen Aktivität und die erwarteten Zinssenkungen der Federal Reserve. Die Inflation dürfte weiterhin unbeständig bleiben, wobei der Aufwärtsdruck durch Zölle und eine expansive Fiskalpolitik durch das schwächere makroökonomische Umfeld ausgeglichen wird.

Im Bereich der Unternehmensanleihen bekräftigen wir unsere Präferenz für Anleihen mit Investment-Grade-Rating. Wir bevorzugen europäische Unternehmensanleihen, die von soliden Fundamentaldaten und einer höheren Widerstandsfähigkeit in einem unsicheren Umfeld profitieren. Bei Hochzinsanleihen bleiben wir hingegen insgesamt vorsichtig.

Schwellenländeranleihen gewinnen wieder an Attraktivität. Sie werden durch positive Realrenditen, einen schwächeren Dollar und eine Entspannung im Handelskonflikt gestützt. Diese Faktoren verbessern die relative Attraktivität von Anlagen in Schwellenländern, auch wenn Anleger insgesamt weiterhin eher zurückhaltend positioniert sind.

Gold und alternative Anlagen zur Portfolioabsicherung

Gold spielt weiterhin eine strategische Rolle in Portfolios und dient als wirksamer Schutz gegen geopolitische Unsicherheiten, Schwankungen der Realzinsen und extreme makroökonomische Risiken. Trotz hoher nominaler Renditen bleibt die Nachfrage nach Gold stark. Sie wird durch anhaltende Käufe der Zentralbanken, den Wiederaufbau internationaler Reserven sowie das erneute Interesse von Privatanlegern und ETFs gestützt.

Angesichts der anhaltenden Volatilität und asymmetrischer Risiken an den Märkten halten wir an einer Allokation in Liquid-Alternative-Strategien fest. Diese Strategien tragen zur Stabilisierung des Portfolios bei und ergänzen klassische Anlagen, da sie weitgehend unkorrelierte Ertragsquellen bieten.

Von Nadège Dufossé, Global Head of Asset Allocation bei Candriam

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Dieses Dokument ist ausschliesslich für Journalisten und Fachleute aus dem Presse-/Mediensektor zur redaktionellen Verwendung bestimmt. Es stellt weder ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dar, noch eine Anlageempfehlung oder eine Bestätigung irgendeiner Art von Transaktion, es sei denn, es wurde ausdrücklich vereinbart. Candriam lässt bei der Auswahl der in diesem Dokument genannten Daten und ihrer Quellen grösste Sorgfalt walten. Dennoch können Fehler oder Auslassungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Candriam haftet nicht für direkte oder indirekte Schäden oder Verluste, die aus der Verwendung dieses Dokuments entstehen könnten.

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