Experten-Kolumne |
27.10.2015 10:20:19
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Quo vadis 2. Säule?
Kolumne
Ausgelöst durch die anhaltende Niedrigzinsphase haben alle Vorsorgeeinrichtungen ihre Anlage überdacht und teilweise auch verändert. Zwei Grundkonzepte und deren Spielräume:
Der stichtagsbezogene Ansatz
Der stichtagsbezogene Ansatz fusst auf der Bilanz und besagt im Wesentlichen, dass keine Überschuldung vorliegen darf. Das Ziel dieses Ansatzes ist es, dass zum Stichtag liquidiert werden kann, ohne dass Gläubiger eine Einbusse erleiden. Das Vorgehen ist verbreitet, sind doch in Europa sowohl die Überschuldung als auch die Zahlungsunfähigkeit als Gründe für den Konkurs von Firmen definiert.
Wichtig ist, dass im Unternehmen (Aktiengesellschaft, GmbH) ab Gründung Eigenkapital existiert, das den Konkurs verhindern soll. Im Vorsorgebereich (Stiftung oder Genossenschaft) gibt es dies nicht, aus den erwirtschafteten Renditen muss ein Teil zurückgelegt werden. Daraus entsteht vor allem die Wertschwankungsreserve, die dann quasi zum Eigenkapital wird. Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass die Verpflichtungen erst nach langer Frist fällig werden. Deshalb werden diese mit dem technischen Zinssatz abgezinst, um eine aktuelle Bewertung zu erhalten.
Sofern das Ziel ist, eine Überschuldung zu verhindern, muss dieser Zinssatz zum Abzinsen der Verpflichtungen "marktfähig" sein. Dies bedeutet, dass Rentenverpflichtungen zu diesem sich ergebenden Wert an eine andere Vorsorgeeinrichtung übertragen werden können. Sofern kein Markt existiert, gilt es den Zins von sicheren Anlagen abzüglich notwendiger Verwaltungskosten für die Bewertung zu verwenden (Arbitrage). Wir finden viele Vorsorgeeinrichtungen, die ihre Anlage auf den jährlichen Deckungsgrad abstellen und damit stichtags- und bilanzorientiert sind.
Der Liquiditätsansatz
Diese Betrachtung beurteilt, ob die notwendigen, anfallenden Zahlungen geleistet werden können. Der Ansatz bezieht sich auf den Geldfluss. Im angelsächsischen Raum wird dieses Kriterium generell bevorzugt und Überschuldung hat per se nicht einen Konkurs zur Folge. Sofern alle Zahlungen geleistet werden, darf das Unternehmen seine Tätigkeit fortführen und gegebenenfalls auch selbst Massnahmen zu seiner Sanierung ergreifen. Erstaunlicherweise wird dieses Konzept von Vorsorgeeinrichtungen kaum genutzt (was wohl bedeutet, dass es nicht als interessante Alternative verstanden wird).
Die Spielräume in der Vorsorge
Prinzipiell wird von der Vorsorge erwartet, dass Rendite unter Sicherheit erwirtschaftet wird. Dies ist ein Paradox, das der Logik der Anlage entgegensteht. Zudem gibt es keine gesetzliche Eigenkapitalausstattung in Vorsorgeeinrichtungen. Die Aktiven übernehmen mit ihrem Guthaben die Rolle der Aktionäre gegenüber den Rentnern. Wesentliche Instrumente der Gestaltung sind die Höhe der Wertschwankungsreserve als auch die Möglichkeit ohne Konkursverfahren über längere Zeiträume zu sanieren. De facto werden den Vorsorgeeinrichtungen hier sinnvollerweise grosse Spielräume zugestanden, die sie zum Wohl ihrer Versicherten einsetzen müssen. Wichtig ist es deshalb, in jeder Kasse zu analysieren, welche Ausgangssituation vorliegt, damit der reale Gestaltungsspielraum bestimmt wird. Oftmals wird in diesem Zusammenhang von Risikofähigkeit gesprochen, wobei in diesen Begriff sehr unterschiedliche Inhalte gepackt werden. Es sollte eher um eine Chancen- und Risikobeurteilung für die Zukunft gehen.
Eine Firmenstiftung, die fürchtet, dass der Standort Schweiz geschlossen wird, wird vernünftigerweise für den stichtagsbezogenen Bilanzansatz optieren. Eine Sammeleinrichtung mit gut diversifiziertem Kundenportfolio wird das Risiko einer Gesamtliquidation als sehr klein einstufen. Wenn zudem die eingehenden Geldflüsse der Aktiven die Zahlungen an Rentner übersteigen, wird wohl eine langfristige Betrachtung mit hohem Liquiditätsbezug die Anlagestrategie bestimmen. Zudem werden viele weitere Kriterien wie zum Beispiel die Höhe der bestehenden Wertschwankungsreserve in die Überlegungen einbezogen.
Es ist offensichtlich, dass in den beiden genannten Fällen sehr unterschiedliche Anlagestrategien adäquat sind, unter anderem da die Schwankungen der Anlage unterschiedlich absorbiert werden können.
Fazit
In der allgemeinen Diskussion wird zumeist der Eindruck erweckt, dass es einen technischen Zinssatz gibt, der für alle Vorsorgeeinrichtungen passt. Sofern die vorausgegangenen Überlegungen stimmen, ist dies falsch. Wichtig ist es ebenfalls, nicht nur von vermiedenen Risiken sondern auch von verpassten Chancen zu sprechen. Dies nicht im Sinne der Nutzung von taktischen Anlageopportunitäten, sondern einer individuellen Anlagestrategie, die das bestehende Rendite- und Risikopotential ausschöpft.
Leider werden vielfach Anlagestrategien von Vorsorgeeinrichtungen ohne korrekte Beurteilung der unterschiedlichen Ausgangslage miteinander verglichen. Insbesondere da meist auf der Basis eines rudimentären und vergangenheitsorientierten Risikoansatzes entschieden wird. Letztendlich ergibt sich als Kernfrage, ob eine Vorsorgeeinrichtung zu jedem Zeitpunkt solvent sein soll. Es ist der Stiftungsrat, der die Relevanz der Solvenz in seine Entscheidungen einbeziehen muss. In jedem Fall hat er dafür zu sorgen, dass zu jeder Zeit ausreichend Liquidität bereit gestellt ist.
Olaf Meyer: Stiftungsratspräsident Profond Vorsorgeeinrichtung
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schliesst jegliche Regressansprüche aus.
Inside Fonds
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