US Economic |
03.02.2012 10:19:51
|
Psychologisches Enttäuschungspotential
Kolumne

Die makroökonomischen Zahlen aus den USA haben in den letzten Monaten praktisch durchs Band positiv überrascht. Die Konsenserwartung der Experten für das 4. Quartal liegt bei einem Wachstum von 3%. Der „Economic Surprise Indicator“, der von der Citigroup berechnet wird, ist nahe seiner historischen Höchststände.
US Economic Surprise Indicator
Wir gehen davon aus, dass die makroökonomischen Daten die Erwartungen in den nächsten Monaten nicht erfüllen werden. Zudem ist die Sparquote seit Mitte 2011 von 5% auf 3.5% gefallen. Die Entwicklung des Einkommens hat im zweiten Halbjahr 2011 mit dem Konsum also nicht Schritt gehalten. Da wir keine weitere Reduktion der Sparquote erwarten, dürfte der Konsum in naher Zukunft als Impulsgeber wegfallen. Ein weiterer Punkt ist, dass Ende 2011 eine Steuererleichterung im Investitionsbereich auslief. Investitionen konnten im gleichen Jahr zu 100% abgeschrieben werden. Das führte 2011 zu vorgezogenen Investitionsentscheiden, die sich 2012 nicht wiederholen werden. Aus diesen Gründen erwarten wir, dass die Dynamik der US Wirtschaft mindestens im ersten Halbjahr 2012 deutlich nachlässt.
Die Situation in Europa hat sich seit Jahresanfang spürbar entspannt. Die meisten Credit Default Swaps (CDS) sind zurückgekommen und Italien sowie Spanien konnten sich bedeutend billiger refinanzieren als bei ihren letzten Auktionen. Der Markt interpretiert die 3-jährigen Longer Term Refinancing Operations (LTROs) der EZB als massive geldpolitische Massnahme. Das deckt sich mit unserer Interpretation, die wir am 23. Dezember 2011 an unsere Partner abgegeben haben. Damit sind aber die Probleme nicht gelöst. Die Divergenzen der Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Länder haben eher zugenommen als abgenommen. Kombinierte Entschuldungsanstrengungen der Staaten und des privaten Sektors, insbesondere der Finanzindustrie, bergen die Gefahr einer deflationären Abwärtsspirale. Nachhaltige Strukturreformen sind bis jetzt auf der Strecke geblieben. Die Politiker sind sich über den Lösungsansatz zur Überwindung der Krise immer noch nicht einig. Wir befürchten, dass die gegenwärtige relative Ruhe nur vorübergehender Natur ist und die Eurokrise in den nächsten Monaten wieder vermehrt in die Schlagzeilen rückt.
In China werden makroökonomische Zahlen, die auf eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums hindeuten, vom Markt positiv interpretiert. Die Begründung ist zweifach. Erstens geht man davon aus, dass der Staat genug fiskalpolitischen Spielraum hat, um eventuell nötige Konjunkturprogramme zu finanzieren. Zweitens erwartet der Markt, dass die Notenbank wieder auf einen expansiven geldpolitischen Pfad einschwenkt. Neue Konjunkturprogramme wären zwar ohne grosse Mühe finanzierbar. Wir sind allerdings der Meinung, dass die Möglichkeiten der Regierung gegenüber den Programmen von 2008 und 2009 stark eingeschränkt sind. China leidet immer noch unter den Nachwirkungen dieser Massnahmen. Eine Neuauflage der investitionsbasierten Konjunkturprogramme hätte nur kurzfristig positive Auswirkungen. Mittelfristig wären die Konsequenzen fatal. Die People’s Bank of China (PBoC) hat ihre Geldpolitik bereits ein wenig entspannt. Wir glauben aber, dass die PBoC sich hüten wird, die Geldpolitik massiv zu lockern, weil dann unweigerlich die Inflation wieder zu einem grossen Problem würde. Aus diesen Gründen sind für uns die Marktreaktionen auf die chinesischen Makrodaten in den letzten Wochen etwas zu optimistisch ausgefallen.
Die geopolitische Situation ist, vor allem im Hinblick auf mögliche Angebotsschocks bei Erdöl, alles andere als beruhigend. Am 23. Januar hat die EU beschlossen, iranisches Erdöl zu boykottieren. Szenarien der Weiterentwicklung der Situation im Iran reichen von einem „non-event“ bis zur Sperrung der Strasse von Hormuz. Viele davon beinhalten einen höheren Ölpreis. Im Irak herrscht eine ausgesprochen angespannte Situation. Es drohen bürgerkriegsähnliche Zustände zwischen Schiiten und Sunniten. Der Irak muss aufpassen, nicht zu einem Gefechtsfeld für den Kampf zwischen den rivalisierenden Mächten Saudi Arabien und Iran zu verkommen. Auf die irakische Produktion von 2.4 Mio. Fass pro Tag haben die Zustände im Land keinen förderlichen Einfluss. In Nigeria wütet die Terrororganisation Boko Haram. Erste negative Auswirkungen auf die Erdölförderung sind bereits auszumachen. Nigeria zählt mit einer Produktion von 2.2 Mio. Fass pro Tag ebenfalls zu den grossen Ölproduzenten. Aus geopolitischer Warte rechnen wir mit steigenden Ölpreisen.
Unseres Erachtens werden die amerikanischen Wachstumsaussichten, die Situation in Europa, der fiskal- und geldpolitische Spielraum in China und die geopolitische Situation momentan etwas zu optimistisch interpretiert. Das birgt zumindest psychologisches Enttäuschungspotential.
Jürg Furrer, Aquila & Co. AG
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schliesst jegliche Regressansprüche aus.
Inside Fonds
Meistgelesene Nachrichten
Top-Rankings
Weitere Artikel dieses Kolumnisten
Börse aktuell - Live Ticker
Zinspolitik im Fokus: Asiens Börsen mehrheitlich im PlusDie grössten Börsen Asiens bewegen sich am Dienstag überwiegend auf grünem Terrain.
finanzen.net News
Datum | Titel |
---|---|
{{ARTIKEL.NEWS.HEAD.DATUM | date : "HH:mm" }}
|
{{ARTIKEL.NEWS.BODY.TITEL}} |