Wechsel im Management |
09.11.2021 17:59:37
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Bayer-Aktie deutlich stärker: Gewinnausblick leicht angehoben - strategisch an mRNA-Technologie interessiert
Eine hohe Nachfrage nach Saatgut und Pflanzenschutzmitteln sowie nach rezeptfreien Medikamenten haben Bayer im abgelaufenen Quartal Rückenwind beschert.
Crop-Science-Chef Liam Condon verlässt den DAX-Konzern zum Jahresende. Condon bat den Aufsichtsrat laut einer Mitteilung vom Dienstag, seinen bis 31. Dezember 2023 laufenden Vertrag vorzeitig aufzulösen. Nachfolger werde zum 1. Januar 2022 der 48-jährige Rodrigo Santos, der seit Juni 2021 als Chief Operating Officer das Tagesgeschäft der Sparte verantwortet. Zuvor leitete er das Crop-Science-Geschäft im wichtigen Markt Lateinamerika. In der Vergangenheit schwankte die Entwicklung des Agrargeschäfts teils stark, was auch mehrfach Kritik von Analysten nach sich gezogen hatte.
Im abgelaufenen dritten Jahresviertel lief es in dem Geschäftsbereich nun aber wieder rund, nachdem im Vorjahreszeitraum vor allem Produkt-Retouren bei Maissaat in den USA belastet hatten. Der Umsatz zog hier deutlich an, gefragt waren aber auch Sojasaat und Unkrautvernichter. Eine Unterbrechung der Glyphosat-Produktion infolge des Hurrikans "Ida" in einem wichtigen US-Werk hatte nur bedingt Folgen. Insgesamt erzielte die Agrarsparte in den Monaten Juli bis September einen bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 471 Millionen Euro, nachdem im Vorjahreszeitraum noch ein Minus von 34 Millionen Euro angefallen war.
Auch im Consumer-Health-Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten steigerte Bayer das operative Ergebnis, wenngleich nur leicht auf 308 Millionen Euro. In der Pharmasparte fiel der operative Gewinn zwar um knapp 10 Prozent auf 1,37 Milliarden Euro; das lag aber insbesondere an Kosten im Zusammenhang mit der Markteinführung des Nierenmittels Kerendia (Wirkstoff Finerenone) sowie an höheren Forschungskosten etwa im Zell- und Gentherapie-Geschäft. Der Umsatz wuchs im Pharmageschäft indes, auch dank der weiterhin hohen Nachfrage nach dem Blutgerinnungshemmer Xarelto und dem Augenmedikament Eylea. Auch das Geschäft mit dem Krebsmedikament Nubeqa, das aktuell im US-amerikanischen Markt eingeführt wird, wuchs deutlich.
Konzernweit steigerte Bayer den Umsatz im dritten Quartal im Jahresvergleich um knapp 15 Prozent auf 9,8 Milliarden Euro. Das bereinigte operative Ergebnis legte um gut 16 Prozent auf knapp 2,1 Milliarden Euro zu. Unter dem Strich verdienten die Leverkusener 85 Millionen Euro, hier drückten insbesondere Kosten für Restrukturierungsmassnahmen. Vor einem Jahr war allerdings wegen hoher Abschreibungen auf das Agrargeschäft noch ein Minus von 2,7 Milliarden Euro angefallen.
Vor diesem Hintergrund kalkuliert Bayer-Chef Werner Baumann für 2021 weiterhin mit einem Umsatz von etwa 43 Milliarden Euro. Gemäss der neuen Prognose sollen davon etwa 25,5 Prozent als bereinigtes Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) hängen bleiben. Bisher war eine Ebitda-Marge von etwa 25 Prozent in Aussicht gestellt worden. Zum Vergleich: Nach 21,4 Prozent im dritten Quartal stehen nach neun Monaten hier nun 26,6 Prozent Marge auf dem Zettel.
Da sich Schadenersatzzahlungen in den US-Rechtsstreitigkeiten um angebliche Krebsrisiken glyphosathaltiger Unkrautvernichter ins Jahr 2022 verschieben, wird auch weniger Geld abfliessen: Für den freien Mittelfluss 2021 stellt Bayer nun etwa minus 0,5 bis minus 1,5 Milliarden Euro in Aussicht. Bisher wurde ein Free Cashflow von bis zu minus 3 Milliarden Euro erwartet.
Bayer hatte sich durch die Übernahme des US-Saatgutkonzerns Monsanto 2018 den juristischen Ärger rund um Glyphosat ins Haus geholt, der viele Milliarden kostet und schwer auf dem Aktienkurs lastet. Die Kursverluste seit der ersten Prozessniederlage im Sommer 2018 summieren sich trotz der jüngsten Erholung immer noch auf rund 45 Prozent.
Mittlerweile hat sich der Rummel aber etwas gelegt und Bayer arbeitet nach einer Grundsatzvereinbarung die Klagen mit entsprechenden Vergleichen ab: "Von den im Geschäftsbericht genannten circa 125 000 Fällen handelt es sich um etwa 98 000 Fälle, einschliesslich derjenigen, die nicht die Vergleichskriterien erfüllen", nennt Bayer im Quartalsbericht deren Zahl zum Stichtag 22. Oktober.
Vom Tisch ist das Thema damit aber noch lange nicht. Ein Richter akzeptierte einen wichtigen Teil des mit Klägern ausgehandelten Kompromisses nicht - den Umgang mit künftigen Klagen. Bayer setzt daher mittlerweile auf eine Entscheidung des Obersten US-Gerichts, um eine Wende herbeizuführen. Das Unternehmen reichte Mitte August einen Antrag auf Revision eines Urteils in einem der verlorenen Glyphosat-Prozesse ein. Eine höchstrichterliche Entscheidung zugunsten des Konzerns hätte Signalwirkung und käme einem Befreiungsschlag gleich. Noch steht eine Entscheidung des US Supreme Court aber aus, ob er den Fall überhaupt zur Verhandlung annimmt.
US Supreme Court könnte 2021 über Annahme Glyphosat-Fall entscheiden
Für Bayer und seine Aktionäre könnte womöglich noch 2021 mehr Klarheit hinsichtlich der angestrebten höchstrichterlichen Entscheidung im milliardenteueren Glyphosat-Rechtsstreit in den USA entstehen. Im Dezember könnte der US Supreme Court entscheiden, ob er den vorgebrachten Fall zur Berufung annehme, sagte Bayer-Finanzchef Wolfgang Nickl am Dienstag während einer Telefonkonferenz bei der Zahlenvorlage. Der Konzern hatte Mitte August einen entsprechenden Antrag auf Revision eines Urteils in einem der verlorenen Glyphosat-Prozesse eingereicht. Zuletzt war eine Entscheidung eher 2022 erwartet worden.
Für den Fall, dass der Supreme Court sich mit dem Glyphosat-Verfahren nicht befassen will oder gegen Bayer entscheidet, hatte der Konzern im zweiten Quartal weitere Rückstellungen von 4,5 Milliarden US-Dollar gebildet. Mit dem Geld würde dann ein Programm aufgesetzt, um in den kommenden 15 Jahren mit den Forderungen neuer Kläger umzugehen. Sollten die Richter den Fall annehmen und am Ende zugunsten von Bayer entscheiden, wäre dies ein Befreiungsschlag.
Bayer hatte sich die teuren Rechtskonflikte rund um Roundup 2018 mit dem über 60 Milliarden Dollar teuren Kauf des US-Saatgutriesen Monsanto ins Haus geholt.
Bayer bleibt strategisch an mRNA-Technologie interessiert
Bayer hat trotz der gescheiterten Kooperation mit Curevac ein "strategisches Interesse" an einer möglichen Nutzung der mRNA-Technologie. Als Impfstoff gegen Covid-19 habe die Technologie der Boten-RNA ein eindrucksvolles Proof-of-Concept erbracht, sagte Vorstandschef Werner Baumann in einer Telefonpressekonferenz. Deshalb werde Bayer sich hier weitere Einsatzmöglichkeiten ansehen und nach möglichen Partnern suchen. Als für Bayer interessante Einsatzgebiete der mRNA-Technologie nannte der Manager Kardiologie, Onkologie und die Augenheilkunde.
Bayer hat seine zukunftsweisende Pharmaforschung auf Zell- und Gentherapien ausgerichtet und hier in den letzten Jahren eine Reihe von Zukäufen von Start-ups und Technologien getätigt.
In der Corona-Pandemie erklärte sich Bayer bereit zu helfen und wollte mit dem Tübinger Unternehmen Curevac an seinem Wuppertaler Standort eine Impfstoffproduktion aufbauen. Das auf mRNA-Basis entwickelte Curevac-Vakzin scheiterte jedoch an mangelnder Wirksamkeit. Damit sei diese Zusammenarbeit beendet, sagte Baumann. Bayer verfolge keine strategischen Ziele im Bereich der Impfstoffproduktion.
Die in Wuppertal vorsorglich zusätzlich eingestellten 30 Mitarbeiter würden anderweitig beschäftigt, so Baumann.
Für die Bayer-Aktien ging es letztlich via XETRA um 1,48 Prozent auf 50,75 Euro aufwärts.
/mis/tav/stk
LEVERKUSEN (awp international) / (Dow Jones)
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