Börsengewinner |
14.09.2020 23:35:00
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Rückblick & Ausblick: So kommt die Netflix-Aktie durch die Corona-Pandemie
Die Aktie des Streaming-Anbieters Netflix gehört zu den grössten Börsengewinnern in diesem Jahr. Doch geradlinig verlief diese Entwicklung nicht - Investoren hatten teils starke Schwankungen auszusitzen. Wie sind die weiteren Aussichten für die Aktie?
• Zweifel an der Nachhaltigkeit
• Muss das Geschäftskonzept geändert werden?
Als die Sorgen um die Folgen der Corona-Pandemie und der in vielen Ländern staatlich verordnete wirtschaftliche Stillstand die Aktienmärkte im März mit voller Wucht traf, bildeten sich schnell zwei Aktiengruppen: die Corona-Profiteure und die Titel, die unter der Krise besonders zu leiden hatten. Während letztere überproportional einbrachen, konnten sich die vermeintlichen Krisengewinner schnell vom Corona-Schock erholen und zeigten eine teils ebenso überproportionale Aufwärtsbewegung. Dazu gehört auch der Streaming-Anbieter Netflix, denn recht schnell wurde Anlegern klar, dass die weltweiten Lockdown-Aktivitäten und der verstärkte Trend zum Zuhausebleiben dem Unternehmen neuen Kunden bescheren würden.
Netflix-Geschäft explodiert
Entsprechend wohlwollend nahmen Anleger auch die ersten Netflix-Quartalszahlen nach Ausbruch der Corona-Pandemie zur Kenntnis, immerhin verzeichnete der Streamingriese im ersten Jahresviertel das beste Quartal der Konzerngeschichte und konnte 15,8 Millionen Neukunden gewinnen, während die Erlöse um 28 Prozent anzogen und der Gewinn mehr als verdoppelt werden konnte.
Doch starke Zahlen bringen starke Erwartungen mit sich und auch wenn das Netflix-Geschäft im zweiten Jahresviertel weiter deutlich zulegte, zeigten sich Anleger von den Zweitquartalszahlen schon weniger überzeugt: Trotz neuem Rekord bei der Zahl der Abonnenten brach die Aktie nach der Bilanzvorlage ein - Anleger hatten sich einen noch deutlicheren Kundenansturm erhofft, dass der Abo-Boom sich verlangsamte, kam am Markt nicht gut an.
Zweifel an der Nachhaltigkeit
So sehr Netflix also zwischenzeitlich auch vom Stay-at-home-Trend profitierte, scheinen Anleger dennoch nicht ausnahmslos davon überzeugt zu sein, dass sich dieser Trend aufrecht erhalten lässt. Immer wieder kamen in der Vergangenheit auch von Expertenseite Zweifel auf, ob Netflix den massiv gewachsenen Kundenstamm auch dann halten kann, wenn sich den Netflix-Kunden wieder vermehrt Freizeitmöglichkeiten außerhalb der eigenen vier Wände bieten. Bleiben sie Netflix treu, wenn das gesellschaftliche und kulturelle Leben wieder mehr und mehr aufgenommen wird und es andere Entertainment-Optionen als das Streamen von Filmen und Serien gibt?
Verstärkt werden die Zweifel durch das Geschäftsmodell von Netflix, denn die Flatrate, mit der der Streaminggigant seine Kunden lockt, ist weiterhin unkompliziert monatlich kündbar. Zwar hatte das Unternehmen in der Vergangenheit immer mal wieder Optionen mit anderer Vertragsdauer getestet, eingeführt wurde eine derartige Vertragsoption allerdings bislang nicht. Wer will, kann sein Netflix-Abo also schnell und unkompliziert nach 30 Tagen kündigen, ohne dass er - wie etwa bei anderen Bezahldiensten wie Sky - an eine längere Vertragsdauer gebunden ist. Auch die kürzlich erfolgte Abschaffung des kostenlosen Probemonats, mit der Kunden das Netflix-Angebot zunächst unverbindlich testen konnten, bevor sie ein Monats-Abo abgeschlossen haben, dürfte kaum dazu geeignet sein, Kunden längerfristig an sich zu binden.
Können Preiserhöhungen das Boom-Ende auffangen?
Tatsächlich dürfte es für einen Großteil der aktuellen Netflix-Kunden - neben möglichen alternativen Entertainment-Optionen außer Haus - nur ein stichhaltiges Argument für ihren Verbleib im Netflix-Universum geben: Exklusiver Content und das damit verbundene Preis-Leistungsverhältnis. Für exklusive Inhalte greift der Streamingriese daher besonders tief in die Tasche: 2019 flossen 15 Milliarden US-Dollar in Eigenproduktionen, für 2020 hatten Analysten von BMO Capital Markets zum Jahresstart Ausgaben von über 17 Milliarden US-Dollar prognostiziert.
Geld, das Netflix erst in die Kassen spülen muss, denn das Unternehmen ist hoch verschuldet. 2025 wird Netflix seinen Schuldenberg abgetragen haben, glaubt Alan Gould, Analyst von Loop Capital. Das ist allerdings angesichts der enormen Ausgaben für Originalcontent eine durchaus ambitionierte Vorhersage. Um den Schuldenberg zumindest zu verkleinern und der Marktsättigung insbesondere auf dem wichtigen Heimatmarkt entgegen zu treten, hatte Netflix in der Vergangenheit bereits diverse Male die Preise angehoben. Und auch jetzt steht eine Preiserhöhung offenbar in den Startlöchern: In Österreich haben sich die Preise für die Premium- Abos bereits vor wenigen Wochen verteuert, deutschen Nutzern steht eine Preiserhöhung wohl noch bevor. "Wir ändern von Zeit zu Zeit die Preise, da wir weiterhin in großartige Unterhaltung investieren und Netflix zum Nutzen unserer Mitglieder in Österreich verbessern. Der Preis unseres Basisplans wird sich nicht erhöhen", versprach ein Netflix-Sprecher gegenüber DerStandard.
Kommt Netflix mit Werbung?
Ob Preiserhöhungen tatsächlich auf Dauer das richtige Mittel sind, um Kunden an sich zu binden, dürfte insbesondere davon abhängen, was diese für ihr Geld an Mehrwert bekommen - zumal die Kosten für das Netflix-Abo bereits jetzt regional massive Unterschiede aufweisen. Schafft es Netflix, mit seinen Originals zu überzeugen und der namhaften Konkurrenz wie Disney+ und AppleTV+ die Stirn zu bieten, kann die Strategie aufgehen. Viele Experten raten dem Streaming-Unternehmen aber bereits seit geraumer Zeit zu einem Strategieschwenk: Das Unternehmen solle eine werbefinanzierte Version seiner Inhalte anbieten, die kostengünstiger sei, um neue Nutzergruppen anzusprechen. Dies hatte in der Vergangenheit unter anderem Laura Martin von Needham gefordert und betont, auf diesem Weg könne das Unternehmen auf Kostenbasis konkurrenzfähig zu Disney & Co werden.
Das Netflix-Management selbst hatte dieser Lösung allerdings immer wieder eine Absage erteilt: Netflix werde weiter werbefrei bleiben, bekräftigte CEO Reed Hastings noch vor einigen Monaten. Ob er seine Meinung angesichts der zunehmenden Konkurrenz und des weitgehend gesättigten Marktes in vielen Teilen der Welt, in denen die Abopreise bereits jetzt vergleichsweise hoch sind, aufrecht erhalten kann, bleibt aber abzuwarten.
Netflix im Sog der Techtitel
Ungeachtet der Zweifel vieler Anleger an der Nachhaltigkeit des Abo-Booms und auch der offensichtlichen Bemühungen des Managements, die überzogenen Markterwartungen zu relativieren oder mit Preiserhöhungen auf mögliche Sättigungstendenzen zu reagieren, hat die Netflix-Aktie im letzten halben Jahr rund 46 Prozent zulegen können.
Einer der Gründe dafür war - neben der Corona-Pandemie - auch die Tatsache, dass Netflix als Techtitel gehandelt wird und daher im Sog der Techrally zum Gewinnen verdammt zu sein schien. Zwar ist Netflix kein Techwert im eigentlichen Sinne, das trifft allerdings auch auf andere Vertreter der berühmten FAANG-Gruppe, die aus Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google besteht, zu - dennoch haben insbesondere diese Aktien, zusammen mit Tesla und Microsoft, die Techrally der vergangenen Monate angeführt.
Doch die letzten Handelstage haben gezeigt: Die Rally ist nicht alternativlos. Techtitel, und damit auch Netflix, haben massiv Federn lassen müssen, kein Vertreter der Highflyer der vergangenen Monate konnte sich dem zwischenzeitlichen Abwärtssog entziehen.
Analysten weiter bullish
Noch scheinen zumindest Analysten weiter positiv gestimmt, dass die Aussichten für Netflix-Anleger weiter positiv sind. Die Analysteneinschätzungen für Netflix sind bullish: Das durchschnittliche Rating der Experten ist laut FactSet "overweight", von 40 Analysten haben nur 5 ein negatives Rating, 10 raten zum Halten der Aktie und für 25 ist der Netflix-Titel weiterhin ein Kauf. Das zeigt sich auch beim Blick auf das durchschnittliche Kursziel: Mit 525,24 US-Dollar hat die Netflix-Aktie vom aktuellen Börsenkurs aus noch Luft nach oben.
Redaktion finanzen.ch
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