Big-(Oil)-Problem |
20.02.2020 22:17:00
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Klimaschutzdebatte: Big-Oil-Konzerne wie Shell, Exxon, TOTAL, BP & Co. im Zwiespalt
In der aktuellen Klima- und Umweltdebatte kristallisieren sich die multinationalen Erdgas- und Ölkonzerne allmählich als die grossen Sündenböcke heraus. Doch viele Firmen aus der Branche haben die Zeichen der Zeit erkannt und ergreifen nun erhebliche Massnahmen für den Klimaschutz.
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• Ölkonzerne kämpfen um ihr Image
In der anhaltenden Debatte um den Klimaschutz stehen gegenwärtig vor allem die Big-Oil, also die großen Erdgas- und Ölgiganten, im Fadenkreuz der Gesellschaft. Dies lässt sich auch an der unterdurchschnittlichen Entwicklung vieler Aktien aus dem Sektor ablesen. Scheinbar sind zur Zeit immer weniger Investoren bereit, ihr Geld in der Ölindustrie anzulegen.
Öl-Aktien werden zum sündigen Investment
So kündigte beispielsweise der norwegische Staatsfonds, der wohl größte Fonds der Welt, schon im vergangenen Jahr an, seine Engagements im Bereich der fossilen Energieträger stark einzuschränken. Einen ähnlichen Schritt macht dabei auch die Europäische Investitionsbank (EIB), welche ab dem Jahr 2021 keine fossilen Energieprojekte mehr unterstützen möchte. Des Weiteren verkündete sogar die US-Investmentbank Goldman Sachs, keine Kredite mehr für Ölbohrungen in der Arktis zu vergeben. Darüber hinaus forderten bereits vergangenen September über 500 Großinvestoren, wie zum Beispiel die Allianz oder die Fonds-Tochter DWS der Deutschen Bank, die weltweite Staatengemeinschaft auf, entschlossener für den Klimaschutz einzutreten.
"Heute wird Öl zu einer 'Sünden-Aktie'. […] Das Problem bei solch einem Image ist, dass nur wenige Investoren bereit sind, in solche Aktien zu investieren", so der US-Forscher Peter Sainsbury. Der Forscher sieht die Öl-Branche somit auf einem Level mit der Tabak-, Alkohol- und Rüstungsindustrie. "Zigarettenhersteller waren damals [so wie heute] gefürchtet, gehasst, sogar verachtet. Es gab jede Menge Klagen wegen der gesundheitlichen Folgen von Tabak, kurz: Es war [und ist] eine unbeliebte Industrie", so Sainsbury in einem Podcast.
Der Klimaschutz fordert seinen Tribut
Zu einem ebenfalls sehr vernichtenden Ergebnis kommt dabei auch eine kürzlich veröffentlichte Studie des britischen Think Tanks Carbon Tracker. Die Experten rechneten in ihrem Gutachten die unterschiedlichsten Szenarien am internationalen Ölmarkt durch und kalkulierten dabei auch steigende Bemühungen für den Klimaschutz sowie höhere politische Reglementierungen für die Branche mit ein.
Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass die global dominierenden Öl- und Gaskonzerne, um die Ziele des Pariser Weltklimaabkommens zu erreichen, ihre Produktion stark drosseln müssen. "Wenn die Unternehmen tatsächlich ihr finanzielles Risiko beschränken und Teil der Lösung für das Klimaproblem sein wollen, dann müssen sie die Produktion schrumpfen", so der ehemalige BP-Geologe und heutige Carbon Tracker-Analyst Mike Coffin in dem Report.
Entsprechend dieser Einschätzung sollten die sechs "Big Oil" Konzerne, also ExxonMobil, Shell, BP, Chevron, ConocoPhillips und TOTAL, bis ins Jahr 2040 ihre Produktion um mehr als ein Drittel herabsenken. Andererseits ist es, laut den Experten von Carbon Tracker, unmöglich, die mittlere globale Erwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten. "Wenn Unternehmen und Staaten versuchen, alle ihre Öl- und Gasreserven zu erschließen, wird entweder die Welt die Klimaziele verpassen - oder diese Vermögenswerte werden durch die Energiewende wertlos werden", so der Ex-BP-Geologe Coffin weiter.
Angst vor hohen Umweltauflagen führt zum Sinneswandel
Somit haben nun schon fast alle großen Energieriesen öffentlich bekannt gegeben, dass sie ihre Treibhausgasemissionen, also vor allem die Freisetzung von CO2, erheblich verringern möchten und damit beginnen, stärker an neuen Technologien zu forschen. Da es, laut dem Carbon Tracker-Gutachten, zukünftig zu einem harten Verdrängungswettbewerb am Ölmarkt kommen wird, geschieht dieser Sinneswandel weniger aus Altruismus, sondern vielmehr aus Angst um das eigene Business. Denn Ölproduzenten, die ihren Emissionsausstoß nicht merklich in den Griff bekommen, könnten zukünftig mit sehr strengen Auflagen und hohen Kosten zu kämpfen haben.
Dementsprechend kann man davon ausgehen, dass die großen Ölkonzerne tendenziell zuerst ihre teuersten Bohrprojekte auf Eis legen. "Wir haben uns die Feinstrukturen hinter den Projekten angeschaut - und angenommen, dass die Vorhaben mit den niedrigsten Kosten durchkommen", so Andrew Grant, der Autor der Carbon Tracker-Studie. Anhand dieser Betrachtungsweise können zwischen den einzelnen Ölkonzernen erhebliche Unterschiede festgestellt werden.
Shell überrascht mit einer sehr effizienten Förderung…
Während bei ConocoPhillips, laut Carbon Tracker, rund 85 Prozent der Förderungen zu teuer sind, um in einer klimafreundlichen Welt mithalten zu können, sind es beim Branchenführer ExxonMobil noch rund 50 Prozent. Bei Chevron, BP und Shell sind es hingegen lediglich rund 35, 25 und 10 Prozent. Resultierend aus dieser Kalkulation sind bei dem britisch-niederländischen Ölmulti Shell somit nur rund zehn Prozent des Förderportfolios in Gefahr.
…und einer verhältnismäßig geringen Ölpreisabhängigkeit
Ein weiterer wichtiger Punkt zur Bewertung der Risiken der einzelnen Ölfirmen in der Analyse von Carbon Tracker ist der tatsächliche Anteil der Ölproduktion im Verhältnis zum Gesamtgeschäft. Denn neben dem umweltfreundlicheren Erdgas setzten viele große Energiekonzerne natürlich auch verstärkt auf erneuerbare Energiequellen. Der Anteil, welchen die Ölproduktion am Gesamtgeschäft im Zeitraum von 2019 bis 2025 ausmacht, liegt bei den größten Produzenten dabei in einer Range zwischen 100 und 12 Prozent. Dabei beschränkt sich beispielsweise der russische Konzern Tatneft zu 100 Prozent auf Öl, während der Erdgasgigant GAZPROM verständlicherweise nur rund 12 Prozent von der Erdölförderung abhängt. Bei den sechs "Big Oil"-Unternehmen (ExxonMobil, Shell, BP, Chevron und ConocoPhillips) liegt dieser Anteil bei rund 52, 39, 50, 57 und 64 Prozent. Dementsprechend ist Shell mit einem Anteil von 39 Prozent, im Vergleich zu den Konkurrenten, etwas unabhängiger von der Erdölförderung.
Ölkonzerne kämpfen zunehmend um ihr Image
Dementsprechend passt es nun auch gut zum Image, dass sich der Shell-Konzern zum Ziel gesetzt hat, seinen Netto-CO2-Abdruck bis 2050 um die Hälfte zu reduzieren. "Mit dieser Zielsetzung ist Shell unter den großen Energiekonzernen der Vorreiter", so der Deutschland-Chef Fabina Ziegler. Der Tankstellenbetreiber bietet Kunden nun an, ihren CO2-Ausstoß mit einem freiwilligen Aufgeld je getanktem Liter Benzin bzw. Diesel mit verschiedenen Aufforstungsprojekten zu kompensieren.
Dabei bemüht sich gegenwärtig natürlich nicht nur Shell um das eigene Image. So hat sich der größte norwegische Öl- und Gaskonzern, dessen Mehrheit in Staatshand liegt, im Jahr 2018 von Statoil in Equinor umbenannt. Des Weiteren haben auch BP und TOTAL schon längst damit begonnen, in umweltfreundlichere Geschäftsbereiche wie Erdgas und Flüssiggas (LNG) zu investieren. Darüber hinaus hat auch der CEO von BP bekanntgegeben, dass sein Konzern bis spätestens 2050 klimaneutral werden möchte. "Das weltweite Kohlenstoffbudget ist begrenzt und geht schnell zur Neige. Wir brauchen einen schnellen Übergang zum Netto-Nullpunkt", so Bernard Looney in einer kürzlich veröffentlichten Mitteilung. Ferner häufen sich die Meldungen, dass sich einige der großen Ölkonzerne nun verstärkt an verschiedenen Photovoltaik- und Windenergieprojekten beteiligen.
Moral vs. Dividende
Gerade für Value-Investoren lohnen sich Ölkonzerne, trotz der wahrscheinlich zunehmenden Auflagen seitens der Politik, nach wie vor. Zwar dürften die Aktienkurse der "Big Oil" dem Gesamtmarkt über Jahre hinterherhinken, die hohen Dividendenrenditen lassen die Anteilsscheine dennoch sehr attraktiv erscheinen. "Die Dividenden müssen höher sein als der Durchschnitt", so argumentiert auch der US-Forscher Sainsbury. Denn hohe Ausschüttungsrenditen bewegen viele Investoren dazu, ihre moralischen Bedenken auszublenden und weiter in fossile Brennstoffe zu investieren. Dieser Sachverhalt ist auch den Ölgiganten klar. Dementsprechend lag der Durchschnitt der Dividendenrenditen von BP, Shell, TOTAL und ExxonMobil in den vergangenen fünf Jahren bei 7,5, 6,7, 6,4 und 4,1 Prozent.
Pierre Bonnet / finanzen.ch
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