Meme-Aktien im Fokus |
06.11.2021 23:20:00
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Robinhood zielt auf die Demokratisierung des Finanzwesens ab - Vernichtet sich der Neo-Broker damit selbst?
Robinhood hat es sich auf die Fahne geschrieben, das Finanzwesen zu demokratisieren. Durch die neuen Trader am Aktienmarkt könnte sich Robinhood jedoch womöglich selbst schaden.
• Trader entwickeln sich weiter und bekommen neues Bewusstsein
• Anleger verlieren das Vertrauen und suchen sichere Möglichkeiten, ihr Geld zu investieren
Robinhood hat sich nichts geringeres als die "Demokratisierung des Finanzwesens" zum Ziel gemacht und dieses in der Vergangenheit auch immer wieder nach aussen kommuniziert. Wie Thornton McEnery von MarketWatch schreibt, könnte die Trading-App, die vor allem neue, junge und unerfahrene Trader anzieht, dieses selbstgemachte Ziel bis zu einem gewissen Grad tatsächlich erreicht haben. Jedoch gehe von diesen Tradern, wenn sie sich weiterbilden, auch eine Gefahr für Robinhood aus - "dieses neu erworbene Bewusstsein könnte Robinhood langsam töten", so McEnery.
Robinhood entwickelt sich zum Disruptor
Mit Robinhood böten die Gründer Vlad Tenev und Baiju Bhatt Millennials, die neugierig auf den Aktienmarkt sind, seit 2013 eine Plattform, die sie mit kleinen Summen herumspielen lässt, bis sie Erfahrung gesammelt haben und sich grössere Investitionen zutrauen. Die Trader entwickelten sich von unerfahrenen Anfängern zu erfahreneren Tradern, die auch fleissig Aktien- bzw. Anlagetipps teilen. Doch zwischen Anfang 2016 und Ende 2019 habe sich laut McEnery bei Robinhood vieles verändert: Den Benutzern wurden höherstufige Mitgliedschaften angeboten, sie erhielten Zugang zu Optionskonten, Bruchteilen von Aktien und konnten in manchen US-Bundesstaaten Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether handeln.
Derweil sei Robinhood "zu einem gewaltigen Disruptor der technologiegestützten Hipster-Finanzen geworden; eine Multi-Milliarden-Dollar-Aussenseiterkraft, die für die institutionelle Wall Street unmöglich aufzuhalten schien" und diese dazu zwang, der Trading-App Beachtung zu schenken und sie unter Druck setzte, sich anzupassen, bevor sie sonst womöglich untergeht. So habe sich bis zum Jahresanfang 2020 fast jeder grosse Online-Broker von seinen Handelsgebühren verabschiedet. Um dies zu verdeutlichen, erinnert McEnery an die US-Grossbank Morgan Stanley, die im Februar 2020 die Trading-Plattform E*Trade für 13 Milliarden US-Dollar gekauft hat.
2020: Corona-Pandemie befeuert Entwicklung
Die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns und Kontaktbeschränkungen tat dann ihr Übriges: Zahlreiche Menschen sassen zu Hause und kamen auf die Idee, sich auch einmal als Trader zu versuchen. Laut Robinhood konnte das Unternehmen im vergangenen Jahr mehr als 9 Millionen Nutzer gewinnen und somit seine Nutzerzahl fast verdoppeln. Im Mai 2020 habe sich dann ein breiteres Bewusstsein für die zunehmende Macht von Robinhood bei den Menschen breitgemacht, als die Aktien des bankrotten Autovermieters Hertz im Mai plötzlich in die Höhe schossen, so McEnery. Es sei klar geworden, dass Privatanleger in die Hertz-Aktie gesprungen waren und grosse Leerverkäufer überrascht hatten.
2021: Robinhood-Anleger versetzen professionelle Händler in Panik
Anfang 2021 kam es dann zum Short Squeeze bei GameStop, AMC Entertainment und anderen Meme-Aktien, die Kleinanleger, die sich über die Reddit-Gruppe WallStreetBets organisiert hatten, in die Höhe getrieben hatten - dadurch richtete sich die Aufmerksamkeit verstärkt auf die beliebte Trading-Plattform. "Die Benutzer waren so raffiniert geworden, dass sie Optionen und Margen und all die anderen Dinge, die Robinhood ihnen gegeben hatte, einsetzten, um einen mehrgleisigen Angriff auf die institutionelle Wall Street zu starten, der Verluste für Hedgefonds verursachte und professionelle Händler in Panik stürzte", schreibt McEnery bei MarketWatch.
Als Folge dieser heftigen Kursschwankungen setzten einige Broker-Plattformen, darunter auch Robinhood, den Handel mit den genannten Meme-Aktien kurzzeitig aus oder beschränkten ihn. Robinhood-Chef Tenev musste vor dem Kongress erklären, warum sein Unternehmen so überrascht wurde und unbequeme Fragen beantworten, wie zum Beispiel dazu, dass "Robinhood die Hälfte seiner Einnahmen aus dem Verkauf von Handelsaufträgen an Market Maker wie Citadel Securities verdient, eine von Ken Griffin gegründete Firma, die auch Citadel LLC gründete, einen massiven Hedgefonds, der Melvin Capital gerettet hat, einen der Leerverkäufer, der von Robinhoods eigenen Nutzern angegriffen wurde", so McEnery.
Robinhood-Börsengang im Juli
Im Sommer dieses Jahres wagte Robinhood dann den Sprung aufs Börsenparkett. Der Neo-Broker feierte zunächst einen durchwachsenen Einstand. Die Robinhood-Aktie war zum Ausgabepreis von 38 US-Dollar in den Handel gegangen, während das Unternehmen eigentlich bis zu 42 US-Dollar angepeilt hatte. Bei ihrem Debüt fiel die Aktie an der NASDAQ um mehr als zehn Prozent auf 34 US-Dollar. Aus dem Handel verabschiedeten sich das Papier am ersten Handelstag mit einem Abschlag von 8,37 Prozent auf 34,82 US-Dollar.
Mit dem Börsengang habe der Markt einen Einblick in das Unternehmen bekommen, "und was er sah, war ein grosses Startup, das immer noch auf Wachstum bedacht war und fast vollständig von Krypto-Handelseinnahmen und dem plötzlich giftigen Geldhahn lebte, um den es sich bei dem Verkauf von Handelsaufträgen handelt", so McEnery. Während die Nutzer von Robinhood immer noch mit Aktien über die App handelten, sei diese stark auf Kryptoeinnahmen angewiesen. Das Angebot sei hier weit über Bitcoin und Ether hinaus und auf 46 Staaten ausgedehnt worden.
Zahlenvorlage Q3
Vergangene Woche verkündete Robinhood dann seine Zahlen zum abgelaufenen Quartal. Im dritten Quartal 2021 erzielte Robinhood einen Umsatz in Höhe von 365 Millionen US-Dollar. Das war deutlich mehr als im Vorjahresquartal, als der Börsenneuling beim Umsatz einen Wert in Höhe von 270 Millionen US-Dollar ausgewiesen hatte. Der Verlust lag derweil bei 1,32 Milliarden US-Dollar, während das Unternehmen im dritten Quartal 2020 ein Minus von 11 Millionen US-Dollar auswies.
Allerdings gab das Unternehmen im Zuge seiner Zahlenvorlage bekannt, dass die Kryptoaktivität von den Rekordhöhen im Vorquartal zurückgegangen sei. Die Krypto-Handelsaktivitäten brachten Robinhood laut McEnery im zweiten Quartal 2021 einen Umsatz von 233 Millionen US-Dollar ein - im abgelaufenen dritten Quartal seien es dagegen nur noch 51 Millionen US-Dollar gewesen.
Zerstört sich Robinhood selbst?
Doch nicht nur um das Kryptogeschäft muss sich Robinhood laut Thornton McEnery von MarketWatch Sorgen machen. Im Zuge der Entwicklungen begannen genau die Anleger, die bei Robinhood klein anfingen und sich dann über Monate und Jahre weiterentwickelten, die sich über die sozialen Medien austauschten und stark leerverkaufte Aktien identifizierten, das Vertrauen in die App zu verlieren, die ihnen den einfachen Einstieg in den Handel geebnet hatte. Die Nutzer seien so schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht waren und wechselten zu jenen Anbietern, die sich zuvor noch vor der neuen Konkurrenz durch Robinhood gefürchtet hatten.
"Robinhood hat eine grosse Rolle bei der Schaffung einer neuen Generation von gebildeten Anlegern gespielt, aber seine Zukunft hängt jetzt von seiner Attraktivität für Kleinanleger ab, die nicht mehr auf Konfetti und kostenlose Aktien stehen, sondern nach einer langweiligeren und sichereren Möglichkeit, ihre dauerhafte Kampagne gegen Hedgefonds fortzusetzen, hungrig sind", erklärt McEnery. Und so geht er davon aus, dass auch der Robinhood-Aktie noch schwere Zeiten bevorstehen könnten, sollte das Unternehmen nicht gerade "eine Ankündigung, die Aufsehen erregt" machen.
"Aber Meme-Aktien sterben nicht, selbst wenn sie Robinhood töten", so McEnery.
Redaktion finanzen.ch
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