Strengere Regulierung |
15.11.2020 14:44:00
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Wichtiger als US-Wahl: Diese Auswirkungen hat das verschobene Ant Financial-IPO für Asien
Die überraschende Absage des geplanten Rekord-Börsengangs der Alibaba-Tochter Ant Financial traf Investoren wie ein Schlag ins Gesicht und dürfte ein Indiz dafür sein, dass sich das Umfeld für Fintechs in Asien nun grundlegend ändert - mit kritischeren Auswirkungen für China als der Ausgang der US-Wahl.
• Neue Regulierungen bedrohen gesamte chinesische Tech-Branche
• Börsenstandorte Shanghai und Hongkong geschwächt
Es sollte der grösste Börsengang aller Zeiten werden: Am 5. November 2020 wollte die Alibaba-Tochter Ant Financial in Hongkong und Shanghai den Gang aufs Parkett wagen und dabei mehr als 34 Milliarden US-Dollar erlösen. Das IPO hätte damit ein grösseres Volumen gehabt als der Börsengang von Saudi Aramco, der mit einem Volumen von 29 Milliarden US-Dollar bislang als grösster Börsengang der Welt gilt, und das Fintech Ant Financial mit einer Bewertung von mehr als 300 Milliarden US-Dollar deutlich über den Wert so mancher traditionellen Bank wie etwa Goldman Sachs katapultiert. Doch dann kam alles anders. Nur zwei Tage vor dem geplanten Termin zogen die Behörden in China die Reissleine. Als Grund nannte die Börse Shanghai bedeutende Änderungen im "aufsichtsrechtlichen Umfeld", durch die Ant womöglich nicht mehr alle Bedingungen für einen Börsengang erfülle. Tatsächlich hat China erst vor Kurzem neue Regeln zur Online-Kreditvergabe vorgelegt, die nicht nur das Geschäft von Ant Financial deutlich beeinflussen, sondern auch Konsequenzen für die gesamte chinesische Fintech-Branche haben dürften. Laut Daryl Liew, CIO des Wealth und Asset Managers Reyl Singapore, hat das vorerst geplatzte Ant-IPO daher auch grössere unmittelbare Auswirkungen für Asien als der Ausgang der US-Wahl.
Zeitenwende für Techfirmen in Asien?
China-Investoren sollten nicht zu sehr darauf achten, wer der nächste Präsident der USA wird, sagte Liew gegenüber "CNBC". Eine Aussage, die recht überraschend scheint angesichts der Tatsache, dass Donald Trump in seiner Amtszeit einen Handelsstreit mit China vom Zaun gebrochen hat, der sich unter dem designierten US-Präsidenten Joe Biden wieder entspannen und somit Chinas Wirtschaft einen Schub verleihen könnte. Stattdessen hält Daryl Liew die kurzfristige Verschiebung das Börsengangs von Ant Financial für entscheidender, da er in ihr den Anbruch eines neuen Zeitalters in Asien sieht.
Vor dem geplatzten IPO habe es so ausgesehen, als ob Tech-Riesen wie Alibaba oder Tencent die Unterstützung der Regierung besitzen würden, sagte der CIO von Reyl Singapore gegenüber "CNBC". Regulatorische Bedenken, wie sie in den USA momentan etwa der Google-Mutter Alphabet entgegenschlagen, seien laut ihm allgemein eher als Probleme des Westens abgetan worden. "Die Tatsache, dass die Chinesen sich das jetzt auch ansehen, ist beunruhigend", so Liew. Für ihn sei dieser Schritt "aus heiterem Himmel" gekommen und sei womöglich "ein Querschuss - nicht nur für Ant, sondern auch für andere Tech-Firmen".
Auch andere Experten werten den Stopp des Ant-Börsengangs als Indiz für ein künftig strengeres Durchgreifen der chinesischen Behörden. So könne der Stopp des Börsengangs von Ant Financial als Signal gesehen werden, dass das neue regulatorische Umfeld strikter sein werde als das alte, sagte etwa Manran Ma, Generaldirektor bei Beijing Mamanran Asset Management, gegenüber "Fortune". Auch der bekannte Investor Ray Dalio wies bei einem virtuellen Townhall-Meeting daraufhin, dass es in China einen staatlich kontrollierten Kapitalismus gebe. "Ant ist ein völlig neues Konzept beim Banking und könnte beinahe das Bankensystem in China ersetzen oder bedrohen. Und es wurde bisher noch nicht richtig etabliert in Sachen Regulatorischer Aufsicht und ähnlichem", so Dalio laut "Business Insider".
Diese bislang fehlende Regulierung der Fintech-Branche wollen die chinesischen Behörden nun offenbar zügig nachholen. Laut "Handelsblatt" hatte die Finanzaufsicht in China Ant Financial in jüngerer Vergangenheit bereits mehrmals dazu gezwungen, sein Geschäftsmodell anzupassen. Die jüngsten Vorschriften dürften aber wohl die grössten Auswirkungen haben. Denn sie könnten Ant Financial den Status des grössten Börsengangs aller Zeiten kosten.
Regulierungsbehörden greifen zentralen Punkt in Ant Financials Geschäftsmodell an
Die neuen Vorschriften, die wohl auch entscheidend für den Stopp des Börsengangs waren, schreiben vor, dass Unternehmen, die Kredite vergeben, künftig mindestens 30 Prozent dieser Kredite selbst finanzieren müssen. Ein harter Schlag für Ant Financial, das über seine Kreditplattform gemeinsam mit Banken und anderen Finanzinstitutionen Kredite zu Millionen Verbrauchern bringt. Knapp 40 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet Ant Financial durch das Kreditgeschäft, das somit für das Unternehmen wichtiger ist als der bekannte mobile Bezahldienst Alipay mit seinen 711 Millionen aktiven Nutzern. Allerdings finanziert Ant Financial nur zwei Prozent der Kredite selbst. Die neuen Vorgaben dürften daher die Profitabilität und auch die Bewertung von Ant Financial erheblich beeinträchtigen.
"Es ist eine Entscheidung, um die Kapitalmarktstabilität und die Rechte und Interessen der Investoren zu schützen", begründete Aussenamtssprecher Wang Wenbin den Schritt. Die Investoren dürften nun den Unternehmenswert von Ant Financial neu bewerten, wodurch auch der Börsengang in Zukunft ein deutlich niedrigeres Volumen haben dürfte. Dass es dann noch zum Rekord reicht, ist wohl unwahrscheinlich - den Börsen von Shanghai und Hongkong würde somit das Aushängeschild des grössten Börsengangs überhaupt entgehen. Auch die "riesige Coming-of-Age-Geschichte" für China, die ein Ant-IPO im November laut Daryl Liew gewesen wäre und dem Land wohl positive Publicity gebracht hätte, ist nun dahin. Auf der anderen Seite wäre jedoch - bedingt durch die neuen Vorschriften - aller Voraussicht nach die Bewertung von Ant nach dem Börsengang deutlich eingebrochen, falls man ihn durchgezogen hätte, was ebenfalls unvorteilhaft für die Investoren und wohl auch die Börsen gewesen wäre.
Dennoch sei das Vorgehen der Aufsichtsbehörden sehr ungewöhnlich, sagte Jost Wübbeke gegenüber dem "Handelsblatt". Er ist Direktor beim auf China spezialisierten Forschungs- und Beratungsunternehmen Sinolytics und sieht nun die Börsenstandorte Shanghai und Hongkong geschwächt. "Bei Einwänden hätte der Börsengang viel früher gestoppt werden können", so Wübbeke. Auch Sean Darby von der US-Investment-Bank Jefferies sieht in dem Vorgehen einen gezielten Schritt gegen Ant Financial. "Es ist früher schon passiert, wenn Unternehmen für den Geschmack der Behörden anscheinend zu gross gegenüber dem Staat geworden sind", sagte er gegenüber "Bloomberg".
Neue Realität für asiatische Fintechs
Bei Ant Financial dürften die Regulierungsbehörden in China aber längst nicht Halt machen. Denn Daryl Liew sieht nun auch in Asien Ausläufer des globalen Trends, dass Tech-Unternehmen zunehmend in den Fokus und unter Kontrolle der Aufsichtsbehörden geraten, wie er gegenüber "CNBC" sagte. Und auch Winston Ma von der New York University erwartet laut "CNBC" für die Zukunft weitere Untersuchungen. Er glaubt, dass die zunehmende Kontrolle bei der Internet-Kreditvergabe nur der Anfang sei. "Das Zeitalter (exponentiellen) Wachstums für die Internetfinanzbranche ist vorbei - und das ist die Realität, die Fintech-Investoren jetzt akzeptieren müssen", sagte er gegenüber der US-Nachrichtenseite. Ant Financial und andere Fintechs dürften es in Zukunft in Asien also nicht mehr so einfach haben.
Redaktion finanzen.ch
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