Experten-Kolumne |
24.02.2012 15:42:39
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Pensionskassen: Wer hat das Primat über die 2. Säule?
Kolumne

Pensionskassen sollten den Alten die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung gewährleisten. Dazu hat ihnen der Gesetzgeber 1985 minimale Rentenziele, verpackt in Gutschriften und Rentenumwandlungssätze, vorgegeben.
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten haben Politiker diese Mindestziele zum eigenen Profit halbiert.
Im Hinblick auf eine Ersatzquote von 60 Prozent des letzten Bruttoerwerbseinkommens gab das BVG 1985 den Pensionskassen mit fixen Alters- und Zinsgutschriften sowie Umwandlungssätzen klare, lohnbezogene Leistungsziele vor. Bis zur Jahrtausendwende sind darauf die BVG-Renten den Löhnen davon gerannt (NZZ, 20.7.02). Eine Ausnahme machten lediglich Versicherungen. Dennoch hat der Bundesrat über die letzten 10 Jahre die Minimalrenten durch Senkung von Zinsgutschriften und Umwandlungssätzen unter die Hälfte reduziert. Nach seinem Willen sollen die Arbeitnehmer diesen finanziellen Aderlass mit noch mehr Beiträgen in das mittlerweile defizitäre BVG-System ausgleichen.
Mit dem wenn auch fragwürdigen Leistungsziel von 60 Prozent verkörpert das BVG-Modell ein lupenreines Leistungsprimat. Wie die mittels Zinsgutschriften, Altersgutschriften und Umwandlungssatz nominell vorgegebenen Minimalrenten finanziert werden, bleibt den einzelnen Pensionskassen überlassen. Die Berechnung der Leistungskomponenten erfolgte anhand der „goldenen Regel“, die davon ausgeht, dass die Zinsgutschriften mindestens den Lohnzuwachsraten entsprechen. Damit gelten Pensionskassen im Kapitaldeckungsverfahren als dritter Beitragszahler. Solange sie die entsprechenden Nettoerträge erwirtschaften, genügt es, wenn sie Sparbeiträge in Höhe der Altersgutschriften verlangen. Hinzu kommen Kostenbeiträge für die Versicherung der Todesfall- und Invaliditätsrisiken.
Bleiben aber die erzielten Erträge definitiv hinter den Erwartungen zurück, müssen Pensionskassen entweder Kosten und Leistungen reduzieren oder mehr Beiträge, aktuell Sanierungsbeiträge genannt, verlangen. Nur vorübergehende Mindererträge können auch zulasten des Kapitalstocks ausgeglichen werden, was zu finanziellen Unterdeckungen führen kann. Diese zeigen entweder vorübergehende Vermögensschwankungen an oder eben strukturelle Unterfinanzierungen, wenn die periodischen Zuflüsse (Beiträge plus Vermögenserträge) nicht mehr den Abflüssen (Kosten und Leistungen) entsprechen. Wichtig ist, dass die Leistungs- und Finanzierungsseiten, unabhängig von der Höhe der Leistungen, langfristig im Gleichgewicht sind. Beispielsweise sind die Rentenversprechen von Versicherungssammelstiftungen so niedrig, dass trotz übermässiger Kosten und ungenügender Erträge kaum je eine Unterdeckung auftreten kann.
Die Schwierigkeiten der Vorsorgeeinrichtungen, unter den momentanen Bedingungen die erforderlichen Erträge zu erwirtschaften, sorgen für wachsende Unsicherheit. Und immer, wenn Politiker im BVG nicht mehr so genau weiter wissen, werden Primate bemüht. Das Bundesamt für Statistik schreibt dazu: „Das gesetzliche Obligatorium ist auf dem Beitragsprimat aufgebaut. Bei diesem richten sich die Leistungen der Vorsorgeeinrichtungen nach den geleisteten Beiträgen“, um sich etwas weiter hinten selbst zu widersprechen: „Im Gegensatz zu den Leistungen schreibt das BVG keine Beitragssätze vor“. Gleichfalls bemüht der Bundesrat einmal mehr das Beitragsprimat in seinem jüngsten Bericht zuhanden der Bundesversammlung über die Zukunft der 2. Säule.
Er gibt damit vor, dass der Primat-Typ entscheide, wer welche Risiken trägt und von Anpassungen der Zins- und Umwandlungssätze betroffen wäre. Damit lässt sich trefflich politisieren, weil niemand weiss was die Primate bedeuten sollen und wie sie wirken. Je nach Gusto fallen Ursache und Nutzen von behördlich verordneten Veränderungen der Leistungsparameter auf die Pensionskassen, Rentner, Versicherten oder ihre Arbeitgeber, nie aber auf den Staat. Die wirkliche Frage, dass dieser mit der Überregulierung und Nötigung der Pensionskassen zu Versicherungen und Staatsanleihen ihre Effizienz definitiv ramponiert, ist damit vom Tisch. Darüber hinweg gezogen werden aber immer die Arbeitnehmer als Eigner der Pensionskassengelder. Mit deren stillem Einsatz zur Finanzierung von Staatsschulden findet eine schleichende Enteignung statt, nicht zum ersten Mal! Höchste Zeit den Regulatoren und dem Bundesrat das Primat über die 2. Säule wieder zu entziehen.
Herbert Brändli, Gründer und Verwaltungsratspräsident der B+B Holding AG und Franz Zwyssig, Geschäftsführer der B+B Vorsorge AG.
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schliesst jegliche Regressansprüche aus.
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